20 Jahre, nachdem Geoffrey Rush in „Shine“ (1996) für seine Interpretation des australischen Konzertpianisten David Helfgott einen „Oscar“ gewann, porträtiert der Dokumentarfilm den inzwischen 68-jährigen australischen Ausnahmekünstler, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere eine Zusammenbruch erlitt und jahrelang psychiatrisch behandelt wurde. Die Regisseurin begleitet den von einer schizo-affektiven Störung geprägten Pianisten nicht nur bei Reisen, Proben, Auftritten und im Alltag, sondern wählt den Weg der persönlichen Freundschaft, um sich seiner liebenswerten, aber auch gewöhnungsbedürftigen Art anzunähern. Das feinfühlige Porträt würdigt so nicht nur Helfgotts Schicksal und seine musikalischen Fähigkeiten, sondern plädiert ebenso leise wie nachdrücklich dafür, Menschen mit Ticks als Gewinn für die Gesellschaft zu begreifen.
- Sehenswert ab 12.
Hello, I am David - Eine Reise mit David Helfgott
Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 100 Minuten
Regie: Cosima Lange
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Basis Berlin Filmprod./Beleza Film/fliegende fische creative pool/Stuttgarter Symphoniker
- Regie
- Cosima Lange
- Buch
- Cosima Lange
- Kamera
- Ute Freund
- Musik
- Kikyung Kim · Walter Schirnik
- Schnitt
- Inge Schneider
- Länge
- 100 Minuten
- Kinostart
- 21.01.2016
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm | Künstlerporträt
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Dokumentarfilm von Cosima Lange über den australischen "Shine"-Pianisten David Helfgott
Diskussion
„Hello, I am David!“ ist in dieser Dokumentation mehr als ein zunächst ideenlos anmutender Filmtitel, mehr als eine schlichte Begrüßungsformel. Der wohl am meisten wiederholte Satz des ganzen Films klingt aus dem Mund des Ausnahmepianisten David Helfgott stets wie eine Bejahung des Lebens, eine positive Affirmation der eigenen Existenz. Freudvoll, die Welt umarmend, grundehrlich, den Moment der Begegnung als etwas Besonderes feiernd.
20 Jahre ist es her, dass Geoffrey Rush in „Shine“ (fd 32 430) für seine Interpretation des exzentrisch wirkenden Pianisten einen „Oscar“ als bester Hauptdarsteller gewann. Der internationale Erfolg des Films gab dem echten David Helfgott, der sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zurück auf die Weltbühne befand, Selbstwertgefühl und Berühmtheit zurück. „Shine“ hatte entfaltet, wie das einstige australische Wunderkind nach Nervenzusammenbrüchen und jahrelanger Behandlung in psychiatrischen Kliniken beides verloren hatte und in der Versenkung verschwunden war, bis er Mitte der 1980er-Jahre als Barpianist in Perth seine jetzige Frau Gillian kennenlernte. An ihrer Seite verwandelte er sich langsam wieder in einen gefeierten Konzertpianisten. Die deutsche Regisseurin Cosima Lange porträtiert nun in „Hello, I am David!“ den mittlerweile 68-jährigen Mann, der nicht nur durch seine bewegte Vergangenheit, sondern durch seine eindringliche Präsenz im Hier und Heute fasziniert.
„Hello, I am David. I play the piano.“ So stellt sich David Helfgott im Stau ungefragt durchs offene Fenster dem Fahrer im Auto nebenan vor. Den ganzen Film hindurch grüßt er, schüttelt Hände, umarmt und küsst Menschen, wann immer er die Gelegenheit dazu hat. Egal ob Freunde, Bekannte oder Wildfremde. Das ist ebenso liebenswert wie gewöhnungsbedürftig, wie viele seiner Ticks und Manien. Kein Teebeutel, an dem er vorbeigehen kann, ohne ihn einzustecken. Kein Konzert, bei dem nicht ein ständiger Dialog mit sich selbst sein Spiel begleitet.
Lange wählt die persönliche Ebene der Freundschaft, um sich dem von einer schizo-affektiven Störung gekennzeichneten rastlosen Mann zu nähern. Sie beobachtet und analysiert nicht von außen, strukturiert nicht oder ordnet gar ein. Sie und ihr Filmteam sind Teil des Geschehens. Die Regisseurin teilt den häufig sehr anstrengenden Alltag mit dem hibbelig-quasselnden Pianisten und dessen Frau Gillian: die Reisen, die Proben, die Frühstücke im Hotelzimmer, Besuche bei Freunden, etc. Oft beobachtet sie die Eheleute einfach nur bei ihren tagtäglichen Routinen. Oft ist sie es auch selbst, die Helfgotts Hände hält, sich von ihm umarmen lässt, mit ihm gemeinsam schwimmen geht. Es sind Momente der Nähe, die es ermöglichen, den intelligenten, witzigen Mann hinter seiner Sonderlichkeit sichtbar zu machen, und darüber hinaus vor der Kamera offenzulegen, welch Einfühlungsvermögen, Geduld und persönliches Engagement Dokumentarfilmer aufwenden, um einen Menschen filmisch zu erfassen.
Positiv, intuitiv und so assoziativ wie David Helfgott selbst hat Lange ihre Aufnahmen zusammenmontiert. Dabei ist ein filigranes Netz aus Beobachtungen, Schauplätzen und Situationen, intimen Einblicken und öffentlichem Auftritt, Gesprächen mit dem Protagonisten und seinen Weggefährten entstanden. Im Vordergrund steht Helfgotts Persönlichkeit und sein außergewöhnliches musikalisches Können. Obwohl Gillian Helfgott im Lauf des Films von den zentralen Stationen und (Um-)Brüchen im Leben ihres Mannes erzählt, wird die Diskussion um deren genauen Wahrheitsgehalt, die um „Shine“ herum aufflammte, nicht wieder aufgewärmt. Was sich wann und wie genau zugetragen hat, ist für die humanistische Botschaft des Films letztlich nicht wichtig, der dafür plädiert, sich anders verhaltende Menschen als Gewinn für die Gesellschaft zu sehen. Es geht darum, David Helfgott zu würdigen und sich von seiner Persönlichkeit und seiner Musik bezaubern zu lassen. Das ist Cosima Lange auf einnehmende Weise gelungen.
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