Ein Kameraflug entlang der Berliner Mauer. Ein Wachturm wird umgerissen. Menschen versammeln sich am Brandenburger Tor. Aus dem Off erfährt man, dass die Grenzsoldaten, die für den letzten Mauertoten verantwortlich sind, vor Gericht gestellt werden. Aber auch die für den Schießbefehl Verantwortlichen, darunter der ehemalige Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, die sich Ende 1989 in Untersuchungshaft in Moabit befinden, bereiten sich auf ihre Prozesse vor.
Von diesem Moment an beginnt der Film von Jens Becker und Maarten van der Duin seine Spurensuche ausgesprochen vielschichtig und polyphon aufzusplitten. Der damals 82-jährige Erich Mielke repräsentiert den Apparat der Staatssicherheit und ist in mehrfacher Hinsicht ein rotes Tuch. Zeitzeugen treten hinzu: In der Haft muss Mielke vor seinen Opfern geschützt werden. Wie steht es um seine Gesundheit? Seine Prozess- und Haftfähigkeit stehen in Frage und müssen ständig begutachtet werden. Das dokumentarische Material und die Aussagen und Kommentare der Zeitzeugen werden um zwei fiktive Spielhandlungen ergänzt, die als Kostümfilm die Ereignisse rund um die manipulierte Kommunalwahl vom Mai 1989 und die parallel verlaufenden Veränderungen in der Sowjetunion, Stichwort: Perestroika, nachstellen.
Eine weitere Spielhandlung widmet sich als Kammerspiel den Gesprächen zwischen Mielke – gespielt von Kaspar Eichel – und einer ihn begutachtenden Psychologin in der Untersuchungshaft. Während Mielke sich anderen Gutachtern zumeist durch Schweigen entzog, taut er hier allmählich auf, wobei er zwischen Diabolik und Mitleidheischen schwankt. Immer wieder spricht er die Gutachterin herablassend als „Kindchen“ an.
Auf diese etwas altmodisch an Schulfernsehen erinnernde Weise gelingt der Inszenierung wenig mehr als ein kursorischer Abriss von Mielkes Biografie. Dabei hat allein Mielkes Biografie etwas für das 20. Jahrhundert Exemplarisches: 1907 im Berliner Wedding in ärmlichen Umständen geboren, versuchte er „aus Scham“ früh aus der familiären Enge herauszukommen, engagierte sich in der KPD, gehörte zum militanten Parteiselbstschutz, war im August 1931 am Mord an zwei Polizisten beteiligt und setzte sich in die UdSSR ab, wo er zum Revolutionär ausgebildet wurde. In Stalin erkannte er einen Lehrer und „richtigen Vater“. Von ihm lernte Mielke alles über den Zusammenhang von Angst, Macht und Kontrolle, wobei ihm, wie gemutmaßt wird, der „repressive Persönlichkeitszug“ des Polizisten half.
Ein anderer Zeitzeuge nennt Mielke einen „trivialen Mörder, der sich hinter Ideen und Ideologien versteckte“. Gezeigt wird ein Pedant („Ordnung muss sein!“), ein Asket, der sich der Partei verschrieben hatte. Konstatiert wird Paranoia, verborgen hinter einer Fassade von jovialer Volksnähe: „Er misstraut seinem Volk und will zugleich von ihm geliebt werden.“
In einer hölzernen Montage fungiert Mielke in der Spielhandlung als Stichwortgeber kurzer historischer Referate zum 17. Juni 1953 und zum 13. August 1961. Mitunter gibt es auch Off-Kommentare, die keinem Sprecher zugeordnet werden. So wird der steile Aufstieg Mielkes in der DDR durch eifrige Kontaktpflege mit den Mächtigen psychologisiert: „Er genießt die Anerkennung, nach der er sich so lange gesehnt hat!“ In der Spielhandlung nutzt der Film zudem das Mittel des inneren Monologs, wenn Mielke sich fragt: „Woran sind wir gescheitert?“, von der „herrlichen Tscheka“ schwärmt und betont, er habe „alles für das Wohl des Volkes“ getan.
Zu dessen Wohl baute Mielke einen Überwachungsapparat mit 91.000 offiziellen Mitarbeitern und 173.000 IMs auf, was sich 1988/89 allerdings als wirkungslos erwies. Bei seiner letzten Rede vor der Volkskammer wird ein etwas desorientiert wirkender Erich Mielke für seinen Satz „Ich liebe doch alle Menschen!“ verlacht. In der Haft wird ihm die Gutachterin „ständige Schauspielerei“ vorhalten. Schon während der Ausbildung an der Lenin-Schule in Moskau fiel das Zeugnis des Berufsrevolutionärs nicht nur positiv aus: Mielkes Selbstherrlichkeit führe zu einer gewissen Isolation.
„Erich Mielke – Meister der Angst“ macht nicht den Eindruck, mehr als ein oberflächliches Persönlichkeitsprofil zu zeichnen. Was vielleicht auch an der Befürchtung der Filmemacher lag, viele historische Zusammenhänge beim Publikum nicht mehr voraussetzen zu können.