Jan Haft ist einer bedeutendsten Naturfilmer seiner Generation. 2007 reichte ihm eine Blumenwiese, um wundersame Geschichten zu erzählen. Der „Mythos Wald“ fand 2009 als Zweiteiler im Fernsehen und 2011 als „Das Grüne Wunder – Unser Wald“ (2012) auch im Kino nie gesehene Bilder für das, was jeder bei sonntäglichen Spaziergängen schon achtlos gestreift hat. Für sein jüngstes Projekt hat sich Haft ein Jahr Zeit genommen, um die „Magie der Moore“ dem geneigten Betrachter vor Augen zu führen. So schaut er mit seinem Hauptkameramann Kay Ziesenhenne etwa einem Schwämmchen beim Wachsen zu, mit hochauflösenden Zeitraffer-Aufnahmen an der Moosnarbe. Die zehn Millimeter, die der Torf im Moor innerhalb von zehn Jahren wächst, können freilich selbst die geduldigsten Naturfilmer nicht auf Film bannen. Doch es gibt auch so viel Spannendes über das zu berichten, was in den Regenmooren der nordeuropäischen Regionen alles kreucht und fleucht. Axel Milberg hat sichtlich Vergnügen, wenn er aus dem Off über jenes geheimnisvolle Areal berichtet, das Normalsterbliche eher meiden. Selbst die Wissenschaft hat sich blumige Worte für die Flora und Fauna der Moore ausgedacht. Man trifft hier auf „Moor-Schlenken“ und „Flarken“, die zu „Moor-Gumpen“ werden, wenn sie tiefer ausfallen. An jenen Tümpeln, an denen sich „Rauschbeeren“ ansiedeln und Geflechte kleine wandernde Inselchen bilden, überlebt nur der, der es nass und sauer mag. Pflanzen wie das „Wollgras“, das „flaschenförmige Dungmoos“, das „gelbe Schirmmoos“ oder der „Rundblättrige Sonnentau“ müssen zusehen, wie sie in diesem kargen Milieu über die Runden kommen – und sei es, dass sie zu Fleischfressern mutieren. Zwitterwesen wie der Sumpf-Saftling ernähren sich von den Feuchtkräutern genauso wie Elche, Doppelschnepfen, Rotbauch-Unken oder Zwergdommeln, die an den Weihern und im Gestrüpp nichts fürchten müssen außer den Menschen, die in ihrer schizophrenen Art das Moor schützen, aber auch ausbeuten wollen. Wie fragil und gefährdet das Ökosystem Moor ist, weiß Axel Milberg in unprätentiösem, wenn auch leicht flüsterndem Duktus zu berichten. Das Schöne an „Magie der Moore“ aber ist neben all den wohlklingenden Namen und den wunderbaren Wesen, die der Dokumentarfilm offenbart, dass er die Menschen nicht verteufelt, sondern lediglich ihre Inkonsequenz vor Augen führt. Wie wäre es denn, heißt es im Film, wenn man mehr Moore unter Naturschutz stellen würde und die Menschen künftig nur noch durch sie streifen und deren Schönheit in sich aufnehmen würden? Ein kluger Gedanke, der ebenso hängenbleibt wie das fragile „Sonnentau-Federgeistchen“, dessen Raupe sich ausgerechnet den klebrigen und Schmetterlinge verdauenden Sonnentau als Leibspeise auserkoren hat. Das Moor ist ein heimeliger Ort, der zugleich nicht ganz zu Unrecht häufig als unheimlich beschrieben wird. Man könnte hier kritisch anmerken, dass Haft nicht das Heimliche und Unheimliche mit dem Wissenschaftlichen verbindet. Zu holprig beginnt die Reise mit mythischen Geschichten wie der vom Tollund-Mann, der in der Vorzeit in Dänemark vom Moor verschluckt und 1950 unversehrt wieder ausgespuckt wurde. Es wäre dramaturgisch durchaus vorstellbar gewesen, die dem Jahresrhythmus folgende Chronologie aufzubrechen und sich mehr an den unheimlichen Phänomenen und ihrer Entzauberung auszurichten. Doch nach den unheimlichen sieben Minuten des Intros schwenkt Haft auf die Erzählweise des Naturfilms um, in der für die Suche nach Irrlichtern kein Platz mehr ist. Doch das Moor und seine Bewohner sind magisch genug, um 95 weitere Minuten zu fesseln.