Romantische Komödie | USA 2015 | 124 (DVD: 120 & 124 = BD: 124 & 129) Minuten

Regie: Judd Apatow

Eine junge New Yorkerin führt ein scheinbar erfülltes Party-Leben mit hohem Alkoholkonsum und diversen Männerbeziehungen, die allerdings nie länger als eine Nacht dauern. Ihre demonstrative Bindungsunlust wird erschüttert, als sie in einem Sportarzt ihren Traummann kennenlernt. Das Kinodebüt der Stand-up-Komikerin Amy Schumer entfesselt in der Umkehrung stereotyper Geschlechterbilder aus romantischen Komödien ein Gag-Feuerwerk, das erst gegen Ende in konventionellere Bahnen einschwenkt. Trotz einiger vulgärer Einschübe charmant und bis in die Nebenrollen hervorragend gespielt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TRAINWRECK
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Universal Pic./Apatow Prod.
Regie
Judd Apatow
Buch
Amy Schumer
Kamera
Jody Lee Lipes
Musik
Jon Brion
Schnitt
William Kerr · Peck Prior · Paul Zucker
Darsteller
Amy Schumer (Amy Townsend) · Bill Hader (Aaron Conners) · Brie Larson (Kim) · Colin Quinn (Gordon) · John Cena (Steven)
Länge
124 (DVD: 120 & 124 = BD: 124 & 129) Minuten
Kinostart
13.08.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Romantische Komödie
Externe Links
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Heimkino

DVD & BD enthalten die Kinofassung und einen um vier Minuten verlängerten "Extended Cut". Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs, der Darstellerin Amy Schumer und der Produktionsassistentin Kim Caramele sowie ein Feature mit zwei im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.). Die umfangreichere BD enthält zudem ein erweitertes Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen: 18 unveröffentlichte (46 Min.) und zwölf er erweiterte bzw. alternative Szenen (49 Min.). Zudem enthalten ist ein ausführliches mehrteiliges „Making of“ (89 Min.). Die BD enthält eine Audiodeskription für Sehbehinderte, allerdings nur in englischer Sprache. Die BD-Edition ist mit dem Silberling 2015 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Universal (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Universal (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl., dts dt.)
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US-Stand-up-Komikerin Amy Schumer glänzt in ihrer ersten Kinorolle

Diskussion
In Zeiten von Partnerbörsen, Speed Dating und Single-Rekordzahlen hat Romantik sogar im Kino keine große Lobby mehr. Mittlerweile findet selbst in romantischen Komödien die Liebe meist nur noch auf Umwegen ihre Ziele. Erschwerend kommt hinzu, dass das Repertoire romantischer Bildmotive überschaubar ist, wie es „Dating Queen“ in einem von vielen klugen Momenten vorführt: Da erlebt die Heldin Amy das Erblühen der Beziehung mit ihrem neuen Freund Aaron und wandelt durch eine Montage der romantischsten Flecken von New York, die freilich alle längst abgegrast sind. Entsprechend sarkastisch fällt Amys Off-Kommentar aus: Das Entenfüttern im Central Park weckt bei ihr Verwunderung, dass sie dort nicht überfallen werden, die Bank vor der Brooklyn Bridge macht sich zwar gut, ist aber als Motiv bereits von Woody Allen in „Manhattan“ (fd 22 160) verbraucht worden, und bei der Aussicht auf eine geteilte Zahnbürste regt sich endgültig ihr Wunsch, dass aus der Affäre bloß nichts Festes erwachsen möge. Womit sie in ihr altes Verhaltensmuster zurückzufallen droht, ein Liebesleben ohne emotionale Belastung, bei dem sie ihre verdutzten Liebhaber nach einem One-Night-Stand mit Hinweisen des Überdrusses oder gleich mit klaren Worten aus ihrer Wohnung jagt. Ihr Verhalten irritiert, doch der Zuschauer hat die Erklärung dafür schon zu Beginn erhalten: Amy hat im zarten Alter eine Lektion ihres chronisch untreuen Vaters erhalten und diese tief verinnerlicht. Den Part der sexuell freizügigen jungen Frau mit dem schnoddrigen Mundwerk, den sich die US-Komikerin Amy Schumer für ihr Kinodebüt selbst auf den Leib geschrieben hat, war bereits fester Bestandteil ihres Stand-Up-Programms. Nach einer langen Ochsentour über kleine Bühnen hat die 1981 Geborene in den letzten Jahren einen steilen Aufstieg erlebt. Seit 2013 hat sie ihre eigene Sketch-Serie „Inside Amy Schumer“ auf dem Fernsehsender Comedy Central, mit der sie zu einer der gefeiertsten Komikerinnen Amerikas aufstieg. Einerseits, weil Schumer darin mit Wandlungsfähigkeit und grenzenloser Bereitschaft zur Selbstironie glänzt und noch die vulgärsten Pointen charmant rüberbringt, mehr aber noch, weil hinter ihren Provokationen eine scharfzüngige Kritikerin sozialer Normierungen steckt. So inszenierte sie etwa eine Episode ihrer Show als kongeniale Parodie auf „Die 12 Geschworenen“ (fd 6 139) und ließ eine männliche Jury heftig darüber streiten, ob sie selbst – groß, blond und deutlich pummliger, als es das Hollywood-Schönheitsideal vorsieht – schön genug fürs Fernsehen sei. Zu derartigen Spitzen hintergründiger Gesellschaftskritik läuft Schumers Spielfilm-Drehbuch zwar nicht auf; dafür hat ihr Mentor und Regisseur Judd Apatow zu sehr die Hand im Spiel gehabt. Apatow setzt einmal mehr auf seine charakteristische Mischung aus Scherzen, die öfter mal unter die Gürtellinie gehen, und einem unironischen Festhalten an traditionellen Mustern, sodass Amys Männerverschleiß bis zum Ende wenig überraschend für eine solide Beziehung aufgegeben wird. Auf der anderen Seite hat Apatows fünfte Regiearbeit allerdings an Gagdichte und Einfallsreichtum so viel zu bieten wie keine andere romantische Komödie aus Hollywood seit Ewigkeiten mehr. Das liegt vor allem daran, wie gekonnt Amy Schumer die stereotypen Geschlechterrollen des Genres ins Gegenteil verkehrt: Während ihre Figur lustvoll „männliche“ (Un)sitten – Bindungsangst, häufiges Betrinken und Kiffen – auslebt und sich als Journalistin an ein Männermagazin mit tief gelegten Ansprüchen verkauft hat, ist ihr Traummann Aaron vernünftig, einfühlsam und mehr als bindungswillig. Obendrein ist er auch noch ein angesehener Sportmediziner, der sich bei „Ärzte ohne Grenzen“ engagiert. Dass Aaron trotz dieser Rundum-Perfektheit nicht todlangweilig wirkt, ist ebenso ein Verdienst des Drehbuchs wie seines sympathischen Darstellers Bill Hader, der mit seinem zurückgenommenen Spiel stark an den jungen Tom Hanks erinnert. „Dating Queen“ ist dabei alles andere als eine One-Woman-Show. Amy Schumer hat sich eine Vielzahl irrsinnig komischer One-Liner und peinlicher Situationen reserviert und beweist in einem Handlungsstrang um das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater, dass sie auch ernste Töne anschlagen und glaubhaft verkörpern kann. Neben ihr glänzen auch wunderbar geschriebene und gespielte Nebenfiguren. Das überrascht bei Tilda Swinton, die unter der Maske von Amys Solarium-gebräunter Chefin mal wieder kaum erkennbar ist, weniger als beim sich selbst spielenden Basketballstar LeBron James, der sich wunderbare Dialogscharmützel mit Aaron liefert, die von Beziehungsratschlägen nahtlos in ein Plädoyer für die Vorzüge von Cleveland münden, und dabei beachtliches Komiker-Talent beweist. Weit entfernt von Apatows bisherigen „Bromances“ und oft schwer zu glaubenden Paarbildungen ist „Dating Queen“ seine formal reifste und darstellerisch bei weitem überzeugendste Arbeit, mit Figuren, die ebenso zum Lachen reizen wie sie berühren. Und bei Amy Schumer kann man angesichts dieses Debüts gar nicht anders, als immense Erwartungen an ihre weitere Kinokarriere zu knüpfen.
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