McFarland, sagt jemand im Film, ist ein Ort, an dem man nur bleibt, wenn man keine andere Wahl hat. Rund 13.000 Menschen leben dort, die meisten von ihnen sind Latinos, Feldarbeiter aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern mitsamt ihren Familien. Sie bleiben, weil sie hier Arbeit gefunden haben, harte Arbeit auf endlosen, heißen und staubigen Feldern, mitten in dem riesigen kalifornischen Tal, das die Weißen Central Valley nennen. Ein Mann wie Jim White (Kevin Costner) bleibt in McFarland nur hängen, weil er in besseren Gegenden schon dreimal seine Stellung verloren hat. McFarland scheint für ihn und seine Familie die Endstation zu sein. White ist Sportlehrer. Die halbwüchsigen Latinos, die er unterrichten soll, respektieren ihn, behandeln ihn aber wie einen Aussätzigen. Er ist keiner von ihnen, die nach der Schulzeit für ihre weißen Arbeitgeber auf den Feldern schwitzen müssen. Eines Tages hat White einen Einfall. Er beobachtet, dass seine Schüler unglaublich schnelle Läufer sind. Warum nicht ein Cross-Country-Team gründen, das ihnen nebenbei Gemeinschaftssinn vermitteln könnte? White setzt sich gegen die zu erwartenden Widerstände durch und gewinnt allmählich die Achtung der ihm anvertrauten Mannschaft. Auch für ihn ist es ein Lernprozess, der damit endet, dass er ein Angebot aus einer der reichen Hochburgen des Cross-Country-Sports ablehnt und in McFarland sesshaft wird.
Ausgerechnet eine Regisseurin aus Neuseeland, Niki Caro, die durch ihren Film „Whale Rider“
(fd 36 092) bekannt wurde, hat sich dieses uramerikanischen Stoffes angenommen. Das hat der (wahren) Geschichte gut getan, denn Caro richtet ihren Blick nicht nur auf die vorhersehbare Erfolgsstory, die sie zu erzählen hat, sondern ebenso auf die sozialen Verhältnisse, mit denen Menschen unterschiedlicher Herkunft in diesem „Treibhaus Amerikas“ leben müssen. Anders als die aktuelle US-Serie „American Crime“, die im nicht weit von McFarland entfernten Modesto spielt, rückt sie nicht kriminelle Ausschreitungen in den Mittelpunkt, sondern Integrationsschwierigkeiten, mit denen die vielen Immigranten zu kämpfen haben. Schon im Tempo unterscheidet sich Caros Film von den üblichen Sportfilmen, mit denen sich ihr Hauptdarsteller Kevin Costner seinen Ruf erworben hat: Sie lässt sich nicht nur für die Beschreibung von Ereignissen Zeit, sondern auch für die Darstellung von Reaktionen und Entwicklungen. Die Menschen von McFarland kommen greifbar nahe, man gewinnt einen Eindruck von ihrem Alltagsleben, man lernt sie zu verstehen. Das ist eine Menge für einen Film, der aus einem Hollywood-Studio stammt, in dem kontroverse Themen normalerweise schöngefärbt und glattgebügelt werden: die Walt Disney Company. Es versteht sich, dass Caro alles im Rahmen eines gefühlsbetonten Familienfilms halten muss, aber sie nutzt noch die kleinste Gelegenheit, um ein wenig tiefer zu loten und die zu erwartenden Klischees als Wegmarken für das Verständnis eines der größten Konflikte im heutigen Amerika zu benutzen: die Annäherung zweier sehr verschiedener Kulturen in einem von wirtschaftlicher Unausweichlichkeit, aber auch von Geringschätzung und Feindseligkeit beherrschten Klima.