Willkommen auf Deutsch

Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 89 Minuten

Regie: Carsten Rau

Im Landkreis Harburg, einem idyllischen Landstrich zwischen Hamburg und der Lüneburger Heide, sollen Flüchtlinge und Asylsuchende untergebracht werden. Darüber sind etliche Anwohner so sehr erzürnt, dass sie eine Bürgerinitiative gründen. Der Dokumentarfilm beobachtet ein Jahr lang Fremde wie Einheimische und zeichnet die Prozesse zwischen Abwehr und verordneter Integration nach. Dabei bemüht er sich, stilistisch eher wenig ambitioniert, darum, allen Seiten gerecht zu werden, mildert damit aber die Brisanz des Themas, ob und wie sich deutsche Asylpolitik ändern muss, unnötig ab. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Pier 53 Filmprod./NDR/SWR
Regie
Carsten Rau · Hauke Wendler
Buch
Carsten Rau · Hauke Wendler
Kamera
Boris Mahlau
Musik
Sabine Worthmann
Schnitt
Stephan Haase
Länge
89 Minuten
Kinostart
12.03.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Brown Sugar (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Was passiert, wenn in der eigenen Nachbarschaft plötzlich Asylbewerber einziehen, wenn Menschen aus fremden Kulturkreisen aufeinandertreffen? Die Dokumentarfilmregisseure Carsten Rau und Hauke Wendler sind dieser Frage nachgegangen und haben sich ein Jahr lang im Landkreis Harburg, südlich von Hamburg, umgeschaut. In dem 400-Seelen-Dorf Appel sollen 53 Asylbewerber untergebracht werden. Darüber sind die Bürger so sehr erzürnt, dass sie eine Bürgerinitiative gründen. Mit Erfolg. Nur dem Engagement eines Gastwirtes ist es zu verdanken, dass in seiner Pension wenigstens einige Albaner und Syrer wohnen können. In der Gemeinde Tespe wird eine Flüchtlingsfamilie in der ehemaligen Sparkasse untergebracht, eine Anwohnerin kümmert sich trotz Verständigungsschwierigkeiten liebevoll um sie. Als Mittler fungiert der zuständige Beamte der Landeskreisverwaltung, der stets bemüht ist, Vorschläge anzuhören und Lösungen zu finden. Ein brisantes Thema also. Wie geht man in Deutschland mit Flüchtlingen um, die hier Schutz suchen? Was bedeutet eine „Willkommenskultur“ konkret? Muss sich die deutsche Asylpolitik ändern? Wie erleben die Asylanten ihre neue Umgebung? Mit dem lokalen Bezug auf Harburg ist der Film allerdings thematisch sehr eng gefasst, zumal er von anderen Ereignissen in der unmittelbaren Nähe bereits überholt wurde: Im Hamburger Stadtteil Harvestehude darf ein ehemaliges Kreiswehrersatzamt nicht als Flüchtlingsheim genutzt werden, weil Anwohner vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich dagegen geklagt haben. Die Unterbringung sei nicht „gebietsverträglich“, so der Richter; eine Wortwahl, die an Zynismus kaum zu überbieten ist. Die Wahl der rechtspopulistischen AfD in die Hamburger Bürgerschaft deutet zudem darauf hin, dass der Ton in der Flüchtlingsdiskussion noch polemischer und rauer wird, als er einem aus „Willkommen auf Deutsch“ entgegenschlägt. Rau und Wendler wollen ausgewogen argumentieren und allen Seiten gerecht werden. Doch muss man angesichts der kontroversen Standpunkte als Filmemacher nicht Stellung beziehen? Einige Themen berühren die Regisseure nur ziemlich zaghaft, etwa Parallelen zu den deutschen Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg, offen geäußerten Rassismus (in einem Nebensatz fällt das Wort „Neger“) oder den wirtschaftlichen Aspekt der Unterbringung, der – weil selten diskutiert – mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. Der Film argumentiert häufig zu konfliktscheu; die unterschiedlichen Ansichten dürfen nicht aufeinander prallen. Typisch für diese verhinderte Kontroverse ist eine öffentliche Sitzung mit den gegnerischen Parteien in einem Gasthof, die just in dem Augenblick ausgeblendet wird, als es am streitbarsten und lautesten zugeht. Am Tag darauf diskutieren die Beamten der Landkreisverwaltung pikiert die Schlagzeilen der Lokalzeitung. Doch der politische Gegner ist nicht mehr anwesend. Insbesondere die Argumente der Bürgerinitiative hätten Rau und Wendler kritisch hinterfragen müssen. Nichts gegen Ausländer zu haben (so die Behauptung), aber trotzdem eine Bürgerinitiative gründen: so viel Scheinheiligkeit ist durchaus eine Bloßstellung wert, gerne auch polemisch. Stilistisch ist der Film sehr brav und uninspiriert. Häufig zeigt die Kamera Beteiligte, die Straßen oder Flure entlanggehen, um dann unwidersprochen Statements abzusondern. Zwischentitel werden viel zu lang und gewichtig eingeblendet, schließlich weiß der Zuschauer, wo er sich befindet, und sind zudem mit einer aufdringlichen Musik unterlegt. Einstellungen auf Dächer oder Baumkronen sollen Atmosphäre erzeugen, tragen aber wenig zum Sachverhalt bei.
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