Die moderne Finanzwirtschaft hat sich zum Billionen-Geschäft für Kapitalgeber entwickelt, was darauf hinausläuft, dass die Gesellschaften sich vom europäischen Sozialmodell verabschieden. Der dokumentarische Kampagnenfilm zeichnet den Prozess der Machtübernahme durch transnationale Finanzkonzerne nach und stellt praktische Formen solidarischen Handelns vor, die in der Krise nach praktischen wie politischen Alternativen suchen. Ebenso informativ wie aufrüttelnd, lehrt er, die Gegenwart mit anderen Augen zu sehen.
- Ab 14.
Wer rettet wen?
Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 108 Minuten
Regie: Leslie Franke
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Kern Filmprod.
- Regie
- Leslie Franke · Herdolor Lorenz
- Buch
- Leslie Franke · Herdolor Lorenz
- Kamera
- Herdolor Lorenz · Stefan Corinth · Leslie Franke · Hans-Ulrich Fischer · Tania Sainz Martín
- Musik
- Hinrich Dageför · Stefan Wulff
- Schnitt
- Hermann Dolores · Leslie Franke · Alexander Grasseck
- Länge
- 108 Minuten
- Kinostart
- 12.02.2015
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Hellsichtige Doku zur Finanzkrise
Veröffentlicht am
21.01.2015 - 10:45:55
Diskussion
Zentrale Begriffe wie „Rettungsschirm“ oder „Systemrelevanz“ sind inzwischen ebenso bekannt wie die Namen „Lehman Brothers“, „Goldman Sachs“, oder Mario Draghi. Seit sechs Jahren fließen Milliarden Steuergelder, um je nach Lage die hochverschuldeten Griechen, Spanier, Portugiesen oder Iren zu retten, indem der Ausstieg aus der Euro-Zone verhindert wird. Natürlich sind diese Zahlungen an Bedingungen geknüpft, die letztlich auf einen Abschied vom europäischen Sozialmodell hinauslaufen. In bester Brecht-Manier fragen die Hamburger Filmemacher Leslie Franke und Herdolor Lorenz in ihrem Kampagnenfilm: Wen haben die Milliarden gerettet? Wie konnte es dazu kommen, dass demokratisch nicht legitimierte Instanzen wie die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds Sparmaßnahmen einzufordern, die auf die Privatisierung öffentlicher Güter, die Deregulierung des Arbeitsmarktes und den Abbau öffentlicher Sozialleistungen hinauslaufen?
Wenn gilt: Die Retter sind die Täter, wie es der Film formuliert, sind wir alle dann Zeugen der Machtübernahme des Finanzkapitals, das es meisterhaft versteht, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren? Wurden wir Zeugen eines Staatsstreichs?
Die Filmemacher haben sich auf Spurensuche begeben, haben Experten befragt und zu erklären versucht, welche Logik hinter einem Wort wie „Derivat“ steckt. Der Befund des Films ist eindeutig und eindrucksvoll: Soziale Rechte werden durch das Recht auf Schulden ersetzt. Schüler werden zu Dienstleistungsempfängern, Patienten zu Kunden. Wie lebt es sich in Griechenland, wo das öffentliche Gesundheitssystem zusammengebrochen ist und ein Drittel der Bevölkerung ohne Krankenversicherung da steht? Wie lebt es sich im Herzogtum Lauenburg, wo Investoren mit Slogans wie „Hier wird der Fiskus zum Fisküsschen!“ angelockt werden sollen. Ist Oskar Lafontaine seinerzeit als Finanzminister gescheitert, weil er frühzeitig versucht hat, den Weltkapitalmarkt zu regulieren?
Der Film hat den unmissverständlichen, aber wenig hoffnungsvollen Untertitel: „Die Krise als Geschäftsmodell auf Kosten von Demokratie und sozialer Sicherheit“. Und stellt fest, dass die Finanzindustrie den Regeln zur ihrer Kontrolle bislang stets einen Schritt voraus gewesen ist, weil sie flexibel und supranational agieren kann.
Aber es geht dem Film nicht um das ohnmächtige Bebildern von Verschwörungstheorien, sondern um praktische Formen solidarischen Handelns, wenn gezeigt wird, wie Ärzte und Anwälte in Griechenland und Spanien sich ehrenamtlich für Kranke und von Zwangsräumung Bedrohte engagieren. Oder wenn der Blick nach Ecuador geht, wie sich sogenannte Schuldenaudits als politische Alternative erwiesen haben. Oder nach Island, wo die Bürger in mehreren Volksabstimmungen die Bankenrettung verweigert haben.
Der durch eine ungewöhnliche Form von Crowdfunding durch Organisationen wie Attac, Greenpeace und ver.di möglich gewordene Film versteht sich explizit als Hilfsmittel zur Aufklärung und wird vor dem Kinostart am 11. Februar 2015 an einem Aktionstag europaweit Premiere feiern. Nach „Wer rettet wen?“ schaut man mit anderen Augen nach Griechenland, wo die Wähler entschieden gegen die Troika votiert haben.
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