25 Jahre nach dem Mauerfall sind die 870 Menschen, die bei Fluchtversuchen an der innerdeutschen Grenze starben, kaum noch ein Thema. Der Dokumentarfilm erinnert an einzelne Mauertote und gibt den Angehörigen Raum, die oft bis heute nichts Genaues über die näheren Todesumstände wissen. In ruhigen Einstellungen kontrastiert er die bewegenden Erinnerungen mit kühl-sachlichen Formulierungen aus den Stasi-Akten, was den Geist des SED-Systems umso gespenstischer beleuchtet.
- Ab 14.
Die Familie (2013)
Dokumentarfilm | Deutschland 2013 | 97 Minuten
Regie: Stefan Weinert
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- The core films
- Regie
- Stefan Weinert
- Buch
- Stefan Weinert
- Kamera
- Benjamin Greulich · Frederik Walker
- Schnitt
- Ruben S. Bürgam
- Länge
- 97 Minuten
- Kinostart
- 06.11.2014
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Allerorten wird momentan des 25. Jahrestags des Mauerfalls gedacht, insbesondere im Fernsehen. In all den Filmen spielen die so genannten Mauertoten nur eine Nebenrolle. Die 870 Menschen, die an der innerdeutschen Grenze bei Fluchtversuchen ihr Leben ließen, sind in der kollektiven Erinnerung kaum präsent. Das gilt erst recht für deren Angehörige, die noch immer unter dem Verlust ihrer Familienmitglieder leiden. Ein paar dieser Hinterbliebenen lässt Stefan Weinert, der sich schon in „Gesicht zur Wand“ (fd 39 682) mit Opfern des SED-Regimes beschäftigt hat, zu Wort kommen. Etwa eine Mutter, deren Sohn an der Mauer erschossen wurde. Bis heute kennt sie weder die genauen Umstände seines Todes, noch weiß sie, was mit seiner Asche geschehen ist. „Einmal tot ist aus. Kann man nicht wieder lebendig machen“, sagt sie resigniert in die Kamera.
Nicht besser ergeht es der Frau, deren Mann bei einem Fluchtversuch ums Leben kam. Zur ungeklärten Frage, ob er erschossen wurde oder „nur“ im eiskalten Wasser ertrank, kommt das Grübeln, warum er Frau und Kind zurückließ, ohne sie in seine Pläne einzuweihen. So geht die Trauer in manchen Fällen noch immer mit Selbstvorwürfen einher, ob man nicht etwas hätte ahnen können oder der Tod womöglich zu verhindern gewesen wäre. Hinzu kommt die Verbitterung, dass nahezu alle Todesschützen vor Gericht mit geringen (Bewährungs-)Strafen davon gekommen sind.
Die in Parallelmontage arrangierten Aussagen der Hinterbliebenen werden mit Auszügen aus den offiziellen Protokollen über die jeweiligen Vorkommnisse kontrastiert, die in ihrem sachlichen, unbeholfen-gestelzten Behördendeutsch die gespenstische Grausamkeit des Systems deutlich machen. Der Film dokumentiert beides in ruhigen Einstellungen. Trotz aller Parteinahme für die Opfer verzichtet er auf jeden Kommentar und setzt, dramaturgisch geschickt, eine wahrlich gruselige Sequenz an den Schluss. Der Sohn eines Opfers, der den Mörder seines Vaters mit Hinweis auf das Filmprojekt schriftlich um ein Gespräch gebeten, aber nie eine Antwort erhalten hatte, sucht ihn persönlich auf. Der Mann, der nicht im Bild erscheint, ergeht sich vor der Haustür in absurden Ausflüchten. So erklärt er seine Nicht-Reaktion auf den Brief damit, dass er es unbotmäßig gefunden habe, ausgerechnet in der besinnlichen Vorweihnachtszeit nach der Vergangenheit befragt zu werden. Er sei schließlich auch ein Opfer des Systems gewesen.
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