Impulsiv ist sie ja schon, die Kati. Auf dem Rücksitz des klapprigen Taxis küsst sie kurzerhand den Schweizer mit dem etwas fusseligen Vollbart. Aber Bayern ist das nicht: Ein Elefant verstellt dem Auto den Weg. „Beste Chance“ heißt der dritte Teil von Marcus H. Rosenmüllers Trilogie über die besten Freundinnen Kati und Jo. In „Beste Zeit“
(fd 38 235) wurden aus Kindern Erwachsene, Kati und Jo gingen da noch zur Schule. In „Beste Gegend“
(fd 38 524) machten sie Abitur, der Film spielt 1995, und schmiedeten Pläne: Die Welt steht offen. „Beste Chance“ springt fünf Jahre weiter, ins Jahr 2000 also.
Während die beiden auf ihrer gemeinsamen Reise nach dem Abitur nur bis Südtirol kamen, geht es nun in die weite Welt: bis nach Indien. Allerdings nicht zusammen. Kati und Jo begegnen sich in „Beste Chance“ gar nicht, Rosenmüller erzählt das Geschehen in zwei alternierend montierten Strängen. Auf der einen Seite ist das winterlich kalte, schneematschige bayerische Land, das Dorf Tandern im Landkreis Dachau. Für den Sommer sorgt in „Beste Chance“ das ferne Indien. Jo ist dort hängengeblieben, während Kati, die in München Architektur studiert, für ihre Diplomprüfung lernt. Als es den Anschein hat, dass Jo in einer ernsthaften Notlage steckt, reist Kati überstürzt nach Indien, um ihrer Freundin beizuspringen; angeblich hält sie sich in einem Ashram in der Nähe von Delhi auf. Doch Jo ist ihrerseits bereits wieder auf dem Weg zurück in die Heimat.
Der denkbar große Kontrast zwischen winterlichem Dorfleben, leeren Straßen und dem dunkel verhangenen Himmel auf der einen und dem chaotisch lauten, bunten Indien ist durchaus reizvoll. Über Postkartenansichten und den touristischen Blick kommt „Beste Chance“ aber kaum hinaus, obwohl der Film Katis Perspektive folgt. In ihrer empathischen Art kümmert sie sich um ein verletztes Kind, was Anlass für einen kurzen, kritischen Zusammenprall von Armut und dem Reichtum der ersten Welt ist, aber letztlich romantisierend-versöhnlich aufgelöst wird. Als komödiantischer Sidekick reisen auch die Väter der Freundinnen nach Indien; sie sind für den Clash der Kulturen zuständig: „Kochen können’s ja, die Inder, des muss ma’ ihnen lassen.“
Fast alle Hauptdarsteller aus den ersten beiden Teilen sind erneut versammelt, weshalb die Vertrautheit des Dorfes, der Fussballverein und die bekannten Gesichter deutlich im Vorteil sind gegenüber dem indischen Exotismus. Es wird bayerisch gesprochen und gehandelt; Bräuche und Traditionen sind wichtig, die Bindung der Daheimgebliebenen an die Heimat ist überdeutlich. Die Schauspieler agieren überzeugend, allen voran die Hauptdarstellerinnen Anna Maria Sturm (Kati) und Rosalie Thomass (Jo). Marcus H. Rosenmüller, der in den vergangenen Jahren einen Film nach dem anderen drehte, firmiert nun auch als Ko-Autor; die ersten beiden Teile wurden von Karin Michalke allein ersonnen. Ein wenig fehlt „Beste Chance“ der epische Willen zur Figurentiefe, was vielleicht mit dem komödiantischen Ton zu tun hat; die beiden Väter in Indien wären nicht unbedingt nötig gewesen, sorgen aber zweifellos für Unterhaltung. Wie die beiden ersten Teile auch atmet „Beste Chance“ ein bisschen viel Handwerk; eine Station wird nach der anderen abgehandelt, die Stränge werden vorbildlich zusammengeführt; insgesamt aber ist der Film dann einfach zu kurz. Nur die Studienwelt, in der sich Kati am Anfang bewegt, ist verlockend gezeichnet, sie erinnert an Edgar Reitz’ „Die zweite Heimat“; vielleicht dreht Rosenmüller ja mal eine Fernsehserie, in der er dann tiefer eintauchen kann in die bayerische Heimat und das Studentenleben in München. Die beste Chance gibt es sowieso nicht, vermutlich. Die bessere aber jederzeit.