Langsam verlieren die dänischen Matrosen an Bord ihre Geduld. Seit über einem Monat sind sie in den Händen von somalischen Piraten, die ihr Schiff in ihrer Gewalt haben, und die Verhandlungen mit dem Reederei-Chef laufen schleppend. Dieser wird von einem Entführungsexperten beraten, der ihm einschärft, niemals auf die Geldforderung der Geiselnehmer einzugehen, sondern stets in seinen Angeboten weit darunter zu bleiben. An Bord wird die Geschichte überwiegend aus der Perspektive des Schiffskochs und Familienvaters Mikkel erzählt, der um sein Leben bangt, terrorisiert wird, dann wieder – der Psychologie des Stockholm-Syndroms folgend – scheinbar entspannt mit den Piraten lacht, die sich einen Spaß daraus machen, einen Kollegen einem Magazinbild ähnlich herzurichten.
Das Sujet gleicht dem Film „Captain Phillips“
(fd 42 014), doch Regisseur Tobias Lindholm macht vieles anders als Paul Greengrass. Vor allem erzählt er keine Heldengeschichte. Sein Film widmet sich minutiös den sich über Monate hinweg schleppenden Verhandlungen. Keiner der schwarzafrikanischen Piraten wird hier untertitelt, nur der Verhandlungsführer Omar spricht gebrochenes Englisch, um seine Forderung stets zu wiederholen. Auch er sei entführt worden, eben weil er Englisch spreche, erzählt er. Ob man ihm glauben kann, wissen die Zuschauer ebenso wenig wie die Entführten.
„Hijacking“ ist ein sehr genau inszenierter Film, der wenig auf Action setzt, jedoch enorm spannungsvoll den psychischen Druck der Geiseln und der Verhandelnden vermittelt. Und es ist ein Film, der von Hybris handelt: von Menschen, die glauben, alltägliches Wissen auf eine nicht alltägliche Situation anwenden zu können, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Der Geschäftsführer der Reederei (von Søren Malling mit anmutiger Gravität als ergrauter, stolzer Mann gespielt) ist innerlich zerrissen von seinem Verantwortungsgefühl gegenüber seinen Männern und dem Anspruch, auch hier jenes taktische Kalkül walten zu lassen, das er als Geschäftsmann an den Tag legt. Bis immer klarer wird, dass sich die Situation der Logik eines normalen Geschäftslebens, des Geschachers um Zuschläge und Aufträge, entzieht. Schließlich kommt es zur Zerreißprobe, die Piraten verlieren die Geduld – plötzlich zerreißt ein Schuss das von Störungen geprägte Telefonat mit den Entführern.
Sicherlich tritt der Film nicht mit dem Anspruch auf, ein umfassendes Bild der modernen Piraterie und ihrer sozialen und politischen Rahmenbedingungen zu liefern. Als konzentrierter Psycho-Thriller, der ganz auf die menschlichen „Kollateralschäden“ der Piraterie fokussiert, gelingt der Regie jedoch ein kleines Meisterstück.