Ein einsamer junger Mann will sich das Leben nehmen, wird daran aber durch andere Selbstmörder gehindert. Dabei entdeckt er, dass er sich von weiblichen Leichen angezogen fühlt, und sucht fortan Kontakt zu selbstmordgefährdeten Frauen. Bald gerät seine Überzeugung, dass er nur mit einer Toten eine Beziehung führen könne, ins Wanken. Eine eigenwillige tragikomische „Coming-of-Age“-Geschichte, die dem Tabuthema „Nekrophilie“ dank einer zurückhaltenden Bildsprache, der ruhigen Erzählweise sowie des sensiblen Schauspiels romantische Züge abgewinnt, ohne es zu bagatellisieren oder voyeuristisch auszuschlachten.
- Ab 16.
Love Eternal - Auf ewig dein
Tragikomödie | Irland 2013 | 94 Minuten
Regie: Brendan Muldowney
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Filmdaten
- Originaltitel
- LOVE ETERNAL
- Produktionsland
- Irland
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- Fastnet Films/Red Lion/Rinkel Film/T.O. Ent
- Regie
- Brendan Muldowney
- Buch
- Brendan Muldowney
- Kamera
- Tom Comerford
- Musik
- Bart Westerlaken
- Schnitt
- Mairead McIvor
- Darsteller
- Robert de Hoog (Ian Harding) · Pollyanna McIntosh (Naomi Clarke) · Amanda Ryan (Tina Shaw) · Xenia Katina (Anna Moore) · Emma Eliza Regan (Cathy Malone)
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- 22.05.2014
- Fsk
- ab 16 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Tragikomödie
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Ängstlich, aber auch neugierig blickt der siebenjährige Ian auf seinen toten Vater. Gerade noch hat er mit ihm übers Walkie Talkie gesprochen, als der Kontakt plötzlich abbrach. Das Auffinden des Toten bestimmt Ians weiteres Leben. Einige Jahre nach dem ersten Kontakt mit der menschlichen Sterblichkeit findet Ian eine Schulfreundin, die sich erhängt hat; danach verlässt er jahrelang sein Zimmer nicht mehr. In einer raschen Montage werden die zehn Jahre abgespult, in denen Ian ein beschauliches Leben als Einsiedler führt, bis seine Mutter stirbt, die ihn bislang versorgt hat.
Der Tod scheint Ian zu suchen, also sucht dieser nun auch ihn: Der Plan, stilvoll und schmerzlos aus dem Leben zu scheiden, wird allerdings zunichte gemacht, weil eine Gruppe von Selbstmördern sich denselben Ort und Zeitpunkt zum Sterben ausgesucht hat. Ians Faszination für den Tod löst eine Abfolge von Handlungen aus, gegen die er sich nicht wehren kann. Unter den Toten ist ein junges Mädchen, das er zu sich nach Hause fährt, wäscht, in sein Bett legt und am Morgen als sein Gegenüber am Frühstückstisch platziert. Dies scheint ihm die einzige Möglichkeit zu sein, eine Beziehung zu führen. Als sich die Verwesungsmerkmale nicht mehr ignorieren lassen, hebt er für die Tote ein Grab im Garten aus und macht sich dann auf die Suche nach anderen selbstmordgefährdeten Frauen, um sie beim Sterben zu begleiten und mit den toten Körpern seine neu entdeckte Leidenschaft auszuleben.
Nekrophilie ist im Kino, von Ausnahmen wie „Kissed“ (fd 32 835) einmal abgesehen, normalerweise fast ausschließlich im Horrorbereich angesiedelt und mit der von Filmemachern gern spekulativ beförderten Vorstellung abstoßender Praktiken und degenerierter Persönlichkeiten verbunden. Ganz anders in „Love Eternal“: In der Adaption eines japanischen Romans zeichnet der irische Regisseur Brendan Muldowney das Erwachen nekrophiler Neigungen mit bemerkenswerter Zurückhaltung in der Bildsprache und einer betörend flirrenden Musikuntermalung. Ians Liebe zu Leichen wird nie als „normal“ dargestellt; sie erscheint aber auch nicht als abseitig; dafür sind der Respekt und die Sanftheit, die Ian beim Umgang mit den toten Frauen beweist, zu offensichtlich.
Muldowney bürstet auch in seinem zweiten Film nach „Savage“ (2009) die Erwartungen konsequent gegen den Strich. So wenig wie sich sein Debüt den Versatzstücken des Vigilantenfilms unterordnen wollte, so macht es sich „Love Eternal“ nicht so leicht, den Weg Richtung Thriller einzuschlagen; die Inszenierung nutzt den Stoff aber auch nicht für visuelle Grenzüberschreitungen, wie es ein Regisseur vom Schlage David Cronenbergs vielleicht getan hätte. Der Hauptdarsteller Robert de Hoog ruft mit seiner jungenhaft-unschuldigen Miene zwar Erinnerungen an Anthony Perkins in „Psycho“ (fd 9570) wach, betont mit seinem zurückgenommenen Spiel aber vor allem Ians Schwermut und Sehnsucht nach einem normalen Leben.
Dem Protagonisten geht es nämlich nicht, oder zumindest nicht primär um Lustbefriedigung (die Frage nach Sex lässt der Film offen), sondern um die Suche nach der perfekten Beziehung. Dass er sich dafür anfangs nur eine tote Partnerin vorstellen kann, erscheint angesichts von Ians Zurückgezogenheit und seinen Traumata durchaus nachvollziehbar. Zumal er Visionen hat, in denen die Toten aus ihrer Starre erwachen und ihn nahe zu kommen bitten, während er sich bei ihnen für sein Verhalten entschuldigen kann.
Als schlechte Grundlage für eine Romanze erweist sich der Tod dann aber zusehends in der Begegnung mit den differenziert gezeichneten Selbstmordkandidatinnen: der manisch-depressiven Tina, die ihre Familie schützen will, und der in Trauer erstarrten Naomi, die ihren Sohn bei einem Unfall verloren hat. In ihrer Gegenwart wird Ian überraschend dazu gebracht, erstmals seine Überzeugung zu hinterfragen: Könnte es sein, dass das Leben doch Vorteile gegenüber dem Tod hat?
Unterstützt von stimmungsvollen Bildern irischer Landschaften, entwickelt die Inszenierung den tragikomischen Plot mit einer so beiläufigen Selbstverständlichkeit, dass deren makabre Umstände kaum auffallen. Über die komplexe Hauptfigur und ihre Obsession klingen Fragen nach dem Sinn von Leben und Tod an, ordnen sich aber hinter die zärtliche Darstellung der Romanze ein. So wird „Love Eternal“ durch seine entschleunigte, fast meditative Form zu einer der bemerkenswertesten Coming-of-Age-Kinogeschichten der letzten Jahre.
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