Klein und unbedeutend wie eine Ameise in einem riesigen Ameisenhaufen: so fühlt sich der zwölfjährige Pelle. Nicht einmal die Lehrer können sich seinen Namen merken. Selbst der Nerd in Pelles Klasse erhält mehr Aufmerksamkeit, weil er immerhin auffällt. Pelle hingegen ist derart normal und unscheinbar, dass auch die Kamera ihn zunächst nur angeschnitten am Bildrand zeigt.
Damit teilt Pelle das Schicksal von Peter Parker, jenem schüchternen Teenager aus den Marvel-Comics, der von allen belächelt wird – bis der Biss einer Spinne ihm Superkräfte verleiht und den Grundstein legt für seine Verwandlung in den Superhelden Spider-Man. Auch in dem dänischen Kinderfilm von Ask Hasselbalch verändert sich Pelles Leben schlagartig, als er auf der Flucht vor fiesen Mitschülern in einem verwilderten Garten von einer mutierten Ameise gebissen wird. Seitdem verspürt der Junge großen Hunger auf Zucker; an seinen Händen bleiben Gegenstände kleben, und mit Leichtigkeit reißt er Löcher in Türen, die er eigentlich nur öffnen wollte. Während Pelle sich noch über seine neuen Fähigkeiten wundert, ist die Sache für seinen Klassenkameraden Wilhelm klar: der hat genug Comic-Hefte gelesen, um sofort zu wissen, dass Pelle Superkräfte besitzt.
Geschult durch das Wissen aus amerikanischen Superhelden-Comics, versuchen Pelle und Wilhelm, mehr über Pelles Kräfte zu erfahren und ihn standesgemäß zu kleiden. Denn wer Superkräfte hat, muss auch eine coole Maske tragen. Als Antboy wird Pelle in kürzester Zeit durch zahlreiche kleine Heldentaten zum Medienstar, dem sogar ein eigenes Schulmusical gewidmet wird.
Hasselbalchs Adaption des gleichnamigen Kinderbuchs von Kenneth Bøgh Andersen beginnt wie eine liebenswerte Parodie, die selbstreflexiv mit den Mustern der Superheldengeschichten spielt und ihren Charme vor allem daraus bezieht, dass sie die Macho-Rituale und Fetische der erwachsenen Comic-Helden auf Kinder überträgt und damit entlarvt. Wie Batman hüllt sich auch der kleine Antboy – der reifere Name „Antman“ ist durch eine Marvel-Reihe besetzt – in ein enges Ganzkörperkostüm aus schwarzem Leder und haucht Gaunern mit betont tiefer Stimme seinen Namen entgegen. Wie für Spider-Man ist das Kostüm auch für Antboy nur eine Tarnung, um über den eigenen Schatten zu springen, zeitweise in eine andere Rolle zu schlüpfen und zum Mädchenidol zu werden.
Alle Formeln und Klischees, die sich in den letzten Jahre im Genre des Superheldenfilms entwickelt haben, finden sich auch in „Antboy“: Es gibt die üblichen Anzuggimmicks, fehlgeschlagene wissenschaftliche Experimente, Szenen, in denen die Superkräfte mehr oder weniger erfolgreich erprobt werden, eine milde Identitätskrise, die Enttarnung der Doppelrolle und schließlich eine Wiederauferstehung, durch die der Held schließlich zu sich selbst findet.
Doch der Film belässt es nicht bei einer parodistischen Ebene. Spätestens als ein erwachsener Superschurke namens Floh auftaucht, der Pelles Mitschülerin und heimliche Angebetete Amanda entführt, ändert sich der Tonfall. Ab dann wird der Film deutlich düsterer und macht deutlich, dass die Inszenierung durchaus auf einen ernst zu nehmenden Superheldenfilm für Kinder zielt. Während die Gegenspieler in zahlreichen Kinderfilmen als lächerliche, harmlose Witzfiguren angelegt sind, verhält es sich hier anders. In der Tradition der Superschurken ist der Floh eine tragische Figur, die weder per se als böse abgetan werden kann noch sehr furchteinflößend wirkt. Denn wo Antboy durch Süßigkeiten wieder zu Kräften kommt, benötigt der Floh Blut dafür, das er über Schläuche aus Konserven auf seinem Rücken bezieht.
Auch wenn die Motivation des Gegenspielers nicht immer überzeugt und seine Funktion oft auf die Rolle des gefährlichen Herausforderers reduziert ist, braucht sich „Antboy“ nicht hinter seinen filmischen Vorbildern zu verstecken. Er führt vor, wie ein ebenso komischer wie spannender Genrefilm für (ältere) Kinder aussehen kann, der augenzwinkernd auf deren Medienerfahrungen aufbaut und überdies auch mit typischen Kinderfilmbotschaften punkten kann, ohne aufdringlich zu sein. Schließlich geht es darum, einen Platz im Leben zu finden und sich bewusst zu werden, wer man ist oder sein möchte. In dieser Hinsicht hat Antboy am Ende seinen dauerkriselnden Kollegen wie Batman oder Hulk einiges voraus.