Ende des 19. Jahrhunderts kommt ein Fremder in ein abgelegenes Bergdorf in Bayern, in dem er den Winter verbringen muss, als über Nacht der einbrechende Winter den Ort von der Außenwelt abschneidet. Als kurz hintereinander die beiden Söhne des Dorfpatriarchen sterben, wird der Fremde verdächtigt, damit etwas zu tun zu haben. Es machen sich aber auch Vermutungen breit, dass ein altes Dorfgeheimnis eine Rolle spielen könnte. Die Verfilmung eines Romans von Thomas Willmann wirkt in manchen Elementen überstilisiert, zeichnet insgesamt dennoch überzeugend das atmosphärisch dichte Bild eines Mikrokosmos, in dem Terror und Gewalt herrschen.
- Ab 16.
Das finstere Tal
Drama | Österreich/Deutschland 2013 | 115 Minuten
Regie: Andreas Prochaska
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Filmdaten
- Originaltitel
- DAS FINSTERE TAL
- Produktionsland
- Österreich/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- Allegro Film/X Filme Creative Pool/SamFILM/ZDF/ORF
- Regie
- Andreas Prochaska
- Buch
- Martin Ambrosch · Andreas Prochaska
- Kamera
- Thomas W. Kienast
- Musik
- Matthias Weber
- Schnitt
- Daniel Prochaska
- Darsteller
- Sam Riley (Greider) · Paula Beer (Luzi) · Tobias Moretti (Hans Brenner) · Clemens Schick (Luis Brenner) · Helmuth A. Häusler (Hubert Brenner)
- Länge
- 115 Minuten
- Kinostart
- 20.02.2014
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Heimatfilm | Literaturverfilmung | Western
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Die Editionen enthalten eine Audiodeskription für Sehbehinderte. Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs Andreas Prochaska und des Filmjournalisten Christian Fuchs. Die umfangreichere BD enthält zudem u.a. ein ausführliches, sehr interessantes und informatives „Making of“ (43 Min.) sowie ein Feature mit drei im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.). Nur die BD-Edition ist mit dem Silberling 2014 ausgezeichnet.
Diskussion
Ein „Sinner Man“ reitet alleine durch die bayerischen Berge. Regisseur Andreas Prochaska begrüßt seine Hauptfigur mit diesem Spiritual, einem Außenseiter-Song, tief verwurzelt in der amerikanischen Kultur. Dieser Sünder ist also ein Fremder hier, einer, der die Erfahrung der Weite gemacht haben muss, in Übersee, und der nun über Fels und Schlucht in eine Welt reist, die eng ist – eng im Land und eng in den Köpfen.
Nun ist diese Musik heute natürlich längst Pop. Und vermutlich spielte keinem der Leser, die Thomas Willmanns unerbittliche Romanvorlage verschlungen haben, dabei Pop in den Ohren. Wohl aber der Sound des Schweigens, der Rache und der Vergeltung, eine grimmige Stille, durchbrochen nur ab und an vom Knallen der Gewehre. Greider, der Fremde, macht nicht viele Worte, als er an seinem Ziel angekommen ist, einem abgelegenen Bergdorf. Der Empfang ist frostig wie der nahende Winter, der die Bewohner einschließen wird, bis der Frühling das Tauwetter mit sich bringt. Aber Greider hat ein Säckchen Gold dabei und einen Fotoapparat, einen „Spiegel mit Gedächtnis“, ungesehen bei den Hinterwäldlern Ende des 19. Jahrhunderts. Greider darf bleiben, das beschließen die Brenners, die eine unheimliche Macht über den Ort auszuüben scheinen. Und dann, als der Schnee das Tal vom Rest der Welt abgeschnitten hat, gibt es den ersten Toten.
Die Berge sind bei Prochaska eben kein Ort der Kontemplation oder Überwältigung, sondern sie schützen und erdrücken zugleich, sie bergen Ruhe vor der sich rasch modernisierenden Welt da draußen, aber sie bergen auch Gefahr. Die Inszenierung verkneift sich schwelgerische Kamerafahrten über vom Schnee gezuckerte Gipfel oder weite Felder. Das Weiß bedeutet hier primär Kälte und Mühsal. Auch in den Stuben, in denen eher Blicke als Worte getauscht werden, scheinen die Menschen zu ächzen, in der Dunkelheit unter den wuchtigen Holzbalken. Keine Frage: eine mit großem Geschick gezeichnete Welt, in der Unterwerfung und Trauer den Alltag bestimmen.
Doch dieser unbedingte Stilwille hat eine Kehrseite: Die Häufigkeit der Zeitlupen, in denen das Sterben und die Qual zerdehnt werden, wirkt bald enervierend. So wie Autor Willmann Sergio Leone zu seinen Motivgebern zählt, so sieht man bei Prochaska die Hommage an Sam Peckinpah nur allzu deutlich, und wenn die Salzburger Band Steaming Satellites „How Dare You“ zum Blutbad singt, dann hört man darin auch etwas vom Pop-Eklektizismus eines Quentin Tarantino.
Andererseits: Die Streicher, die Ennio Morricone für Leone in der Hitze des Westens flirren ließ, quälen sich im Soundtrack von Matthias Weber durch ein Klagemotiv nach dem anderen, unterbrochen höchstens vom wummernden Bass der Gefahr. Ganz zurechtgefunden hat sich die Regie also nicht zwischen Wucht und Verspieltheit, zwischen Zeitlosigkeit und Modernisierung. Aber so fremd, so atmosphärisch erstickend wie hier hat das Leben in den Bergen noch selten ausgesehen.
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