Tiempos Menos Modernos

Komödie | Argentinien/Chile 2011 | 95 Minuten

Regie: Simón Franco

Ein Mann aus Patagonien, der inmitten der steinigen Landschaft eine bescheidene Ranch bewirtschaftet, erhält von der Regierung einen Fernseher inklusive Satellitenschüssel geschenkt. Binnen kürzester Zeit erliegt er dem Wust aus Bildern und Tönen, die ungefiltert in seine einsame Kate strömen. Eine leise, humorvolle Komödie, die mit zurückhaltender Eleganz ein naturverbundenes Dasein mit Dating-Shows und Telenovelas konfrontiert. Die daraus entstehenden Verirrungen löst der gut besetzte und mit ruhigen, klaren Bildern fotografierte Film mit leichtfüßiger Lakonie wieder auf. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
TIEMPOS MENOS MODERNOS
Produktionsland
Argentinien/Chile
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Lagarto Cine/Ceneca Prod.
Regie
Simón Franco
Buch
Laura Avila · Simón Franco
Kamera
Mauricio Riccio
Musik
Luis Dinaz Muñiz
Schnitt
Cristina Carrasco · Simón Franco
Darsteller
Oscar Payaguala (Ramiro Payaguala) · Nicolás Saavedra (Felipe) · Pampa Fernandez (Bartolomé) · Esteban Meloni (Juan Martin) · Alexia Moyana (Alma)
Länge
95 Minuten
Kinostart
05.12.2013
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Cine Global/Lighthouse & Cinespañol (16:9, 1.78:1, DD5.1 span.)
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Diskussion
Patagonien ist eine der einsamsten Gegenden der Welt. Für den fahrenden Händler Felipe „langweilt sich hier jeder normale Mensch: Nie passiert irgendetwas. Niemand ist da.“ Sein Freund Payaguala ist wohl auch nicht das, was man einen normalen Menschen nennt: Der Besitzer einer bescheidenen Ranch lebt inmitten der steinigen Weite, allein mit seinen Schafen und seinem Pferd, ohne Telefon, Fernsehen und Internet. Seine Tage verbringt der Mann, der der indigenen Ethnie der Tehuelche angehört, mit dem Versorgen der Tiere; gelegentlich schlachtet er ein Schaf oder vertreibt Eindringlinge, Geologen etwa, die sein Land vermessen. Der Fortschritt scheint hier ganz fern zu sein, aber zu spüren ist er doch. So hat Felipe den Tauschhandel abgeschafft und bietet seine Waren nur noch gegen hartes Geld an. Auch kommen die Touristen dank neuer Straßen und moderner Geländewagen nun auch im Winter ins verschneite Patagonien. Eines Tages steht überdies ein Geschenk von der argentinischen Regierung vor Payagualas Tür: Fernseher, Telefon, Satellitenschüssel. Felipe, der völlig unbeleckt ist von Fortschrittsskepsis und Konsumkritik, packt die Geräte fröhlich aus und installiert sie; auch bei Payaguala ist die Ablehnung des „Neuen“ nicht ideologisch begründet, er ist schlicht zufrieden mit seinem einfachen Leben. Doch nun hängt der Fernseher an der Wand. Payaguala ist natürlich neugierig: Staunend bis irritiert betrachtet er den Wust aus Bildern und Tönen, der da weitgehend ungefiltert in seine einsame Kate strömt. Regisseur Simón Franco gelingen dabei Szenen von wunderbar leisem Humor, wenn Payaguala mit stoischem, fast unbewegtem Gesichtsausdruck und seinem ewigen Mate-Becher in der Hand aufmerksam das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgt. Ein Großteil des üblichen Fernsehprogramms mutet ja schon aus westlich-urbaner, medienaffiner Perspektive recht skurril an; inmitten von Payagualas naturverbundenem Leben aber wirken Datingshows und Telenovelas gänzlich absurd. Aber auch Payaguala hält es bald nicht mehr „ohne“ aus, vor allem nicht ohne die Telenovela „Alma mia“. Für die schwülstige Love-Story stellt er sich sogar einen Wecker, damit er rechtzeitig vom Pferd vor die Flimmerkiste kommt. Dass er sich, „verdorben“ durch den TV-Konsum, plötzlich sogar zur Belustigung von Touristen hergibt oder nicht mehr von der Fernsehcouch erhebt, als Felipe zu Besuch kommt, ist dann doch ein bisschen dick aufgetragen. Zumal der Film solche Ausrufezeichen gar nicht nötig hätte. Doch auch diese recht moralischen Momente sind wie der ganze Film mit einer solch zurückhaltenden Eleganz geschrieben und inszeniert, dass sie nicht weiter ins Gewicht fallen. Und die Auflösung dieser leisen Komödie ist dann wieder von einer wunderbar leichtfüßigen Lakonie. Mit dem Musiker und Liedermacher Oscar Payaguala, dem in Argentinien bekanntesten Vertreter der Tehuelche, hat Simón Franco einen kongenialen Hauptdarsteller gefunden. Seiner unaufgeregten Art und seinen emotionalen Liedern würde man gerne noch länger zusehen und -hören. Auch Nicolás Saavedra in der Rolle des quirligen Felipe ist sehr gut besetzt. Den Charakter der Figuren verorten nicht zuletzt auch die ruhigen, klaren Bilder des Kameramanns Mauricio Riccio in der landschaftlichen Weite. Ein rundum wunderbarer, ebenso witziger wie anrührender Film.
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