Dokumentarfilm | Palästina/USA 2013 | 77 (24 B./sec.)/74 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Udi Aloni

Nach der Ermordung des palästinensischen Künstlers und Friedensaktivisten Juliano Mer-Khamis drehen seine Mitarbeiter einen Film, der drei Inszenierungen des „Freedom Theatre“ aus dem Flüchtlingslager Jenin bei Nablus zusammenbindet. Eine sehr freie Filmcollage, die fragmentarisch Archivmaterial, Interviews und kleine Animationen mit einem HipHop-Video, Konzertmitschnitten und Theatermonologen mischt. Thematisch kreist der Film um Fragen der politischen Funktion von Kunst und der Gleichberechtigung. Hinter all dem wird das Ringen um eine eigenständige palästinensische Identität spür- und sichtbar. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ART/VIOLENCE
Produktionsland
Palästina/USA
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
The Binational Geist/Dig the Movie
Regie
Udi Aloni · Batoul Taleb · Mariam Abu Khaled
Kamera
Amnon Zlait
Musik
Mahmoud Jreri · Shadia Mansou · Suhell Nafar · Tamer Nafar
Schnitt
Adi Golan
Länge
77 (24 B.
sec.)
74 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
17.10.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Am 4. April 2011 wurde Juliano Mer-Khamis in Jenin im Westjordanland von einem maskierten Täter erschossen, vor seinem Theater, im Beisein seines kleinen Sohnes. Das Theater heißt „Freedom Theater“. Dass dem jüdisch-palästinensischen Schauspieler, Regisseur und Lehrer die Freiheit als das wichtigste Gut galt, wird gleich zu Beginn von „Art/Violence“ klar. Oder genauer gesagt: die Meinungsfreiheit. Seine ehemaligen Mitstreiter, der israelische Filmemacher Udi Aloni und die palästinensischen Schauspielerinnen Batoul Taleb und Mariam Abu Khaled, führen seine Arbeit und seine Ideen fort. Ihr Film dokumentiert diese Versuche und ist damit auch ein Stück Selbstvergewisserung; aber er setzt Mer-Khamis auch ein Denkmal. Mer-Khamis’ Tochter Milay erzählt eingangs die Geschichte ihres Vaters. Als Sohn einer jüdischen Mutter und eines palästinensischen Vaters war ihm das Engagement „zwischen allen Stühlen“ gewissermaßen angeboren. Milay setzt diese Linie fort. Ein Jahr nach Mer-Khamis’ Tod trifft sie sich in Tel Aviv mit seinen Schauspielern und inszeniert „Antigone in Jaffa“ als Film – ein lang gehegtes Projekt von Mer-Khamis. Drei Theaterstücke gliedern den Film. Er endet mit „Antigone“, dazwischen steht „Warten auf Godot“, die erste Inszenierung des Freedom Theatre ohne seinen Gründer; mit „Alice im Wunderland“, der letzten Inszenierung von Mer-Khamis’, beginnt er. Man tut gut daran, diese Gliederung im Kopf zu behalten, denn die Regisseure haben eine sehr freie Form der Collage gewählt; fragmentarisch mischen sie Archivmaterial und Interviews mit Theateraufführungen und kleinen Animationen; es gibt einen Hip-Hop-Videoclip und einen Konzertmitschnitt, dazu thematisch passende Monologe der Darsteller. So rezitiert die charismatische Darstellerin Mariam Abu Khaled an Mer-Khamis’ Grab Bertolt Brecht. Juliano Mer-Khamis war überzeugt davon, dass Kunst etwas bewirken kann. Einmal fällt der Begriff „militante Kunst“. Mer-Khamis hat sich stets scharf gegen die israelische Besatzung ausgesprochen, die den Palästinensern nicht nur ihre Lebensgrundlage, sondern vor allem ihre Identität raube. Er vertrat allerdings auch die Meinung, dass es zu einfach wäre, alle Probleme darauf zurückzuführen. Mit dem Freedom Theatre wollte er auch einen soziale Wandeln befördern. Die von ihm ausgebildeten Schauspieler sind Jugendliche aus dem Flüchtlingslager Jenin. Im Kern ging es ihm wohl um die Herausbildung einer eigenen Identität, eines Selbstverständnisses jenseits von Parolen und Formeln. Die beiden Ko-Regisseurinnen diskutieren ihrerseits viel über Frauenrechte; die eine impulsiv, die andere ruhig und reflektiert. Gleichberechtigung schält sich als zweites wichtiges Thema dieses Filmes heraus. Jenin war in den vergangenen Jahren für drei Dokumentarfilme der Ort, an dem sich der israelisch-palästinensische Konflikt manifestierte: „Das Herz von Jenin“ (fd 39 276), „Cinema Jenin“ (fd 41 146) und „Nach der Stille“ (fd 40 651). Durch das große Flüchtlingslager in unmittelbarer Nähe der Stadt erscheint der Ort vielen als „Laborversuch für einen künftigen Palästinenserstaat“ (Süddeutsche Zeitung). Vielleicht ist Jenin tatsächlich eine Stadt, die Anlass zur Hoffnung bietet: Sie wird international nicht ignoriert, die die Kunst und Kultur, die dort entsteht, wird gehört, gesehen und gefördert. Das ist dann wohl auch die wichtigste Botschaft von „Art/Violence“: Ein Mord wird an diesem Status nichts ändern. Die Kunst, für die Mer-Khamis gekämpft hat, lebt weiter.
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