Eine junge Inderin aus armen Verhältnissen lernt einen wesentlich reicheren Mann kennen. Dieser fördert sie, und eine Romanze spinnt sich an. Doch angesichts krasser gesellschaftlicher Ungleichheit und Abhängigkeitsverhältnisse kann sich die Liebe nicht entfalten, sondern wird korrumpiert zu einem Zwang, aus dem die Heldin schließlich den gewaltsamen Ausbruch sucht. Michael Winterbottom verlegt Thomas Hardys Roman "Tess von den d'Urbervilles" ins moderne Indien. Dabei gelingt ihm eine überzeugende neue Perspektive auf den Stoff, auch dank interessanter Verschiebungen in der Konzeption der Hauptfiguren.
- Ab 16.
Trishna
- | Großbritannien/Schweden 2011 | 118 (24 B./sec.)/113 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Michael Winterbottom
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Filmdaten
- Originaltitel
- TRISHNA
- Produktionsland
- Großbritannien/Schweden
- Produktionsjahr
- 2011
- Produktionsfirma
- Revolution Films/Film i Väst
- Regie
- Michael Winterbottom
- Buch
- Michael Winterbottom
- Kamera
- Marcel Zyskind
- Musik
- Amit Trivedi · Shigeru Umebayashi
- Schnitt
- Mags Arnold
- Darsteller
- Freida Pinto (Trishna) · Riz Ahmed (JAy) · Meeta Vashisht (Bhaanumathi) · Harish Khanna (Vijay) · Roshan Seth (Mr. Singh)
- Länge
- 118 (24 B.
sec.)
113 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Verführung oder Vergewaltigung? Es bleibt im Ungewissen, was genau in jener Nacht passiert. Trishna, eine junge Hotelangestellte, und der Sohn des Hotelbesitzers kommen sich näher; küssen sich. Später sieht man, wie Trishna, zurück im Zimmer der Dienstmädchen, bitterlich weint. Das Resultat dieser Nacht ist eine ungewollte Schwangerschaft. Dass Regisseur Michael Winterbottom den Beischlaf selbst nicht zeigt, kann man als Treue zu Thomas Hardys Roman „Tess von den d’Urbervilles“ (1891) auslegen, der die Entjungferung seiner Heldin ebenfalls ausspart und den Winterbottom hier ins moderne Indien verlegt. Man kann es auch als Reflexion der Tatsache ansehen, dass es keinerlei Unterschied macht, ob Trishna freiwilligen oder unfreiwilligen Sex hat, weil ihr Wille für ihre Umwelt sowieso nicht zählt. Sie ist entehrt; ihr Vater bringt sie in eine Klinik, damit der Fötus abgetrieben wird, und schickt die Tochter weg aus dem Dorf zu einem Onkel, um dessen Haushalt sie sich wie eine Sklavin kümmern soll. Als eines Tages der Mann, den sie in jener Nacht küsste, auftaucht und sie bittet, als seine Geliebte mit ihm nach Mumbai zu gehen, nimmt sie das Angebot an. Die Chance auf ein besseres Leben?
Hardys „Tess von den d’Urbervilles“ hat in letzter Zeit neue Popularität erfahren, weil er im Soft-SM-Erotik-Bestseller „Fifty Shades of Grey“ eine Rolle spielt. Auch der DVD-Anbieter von Winterbottoms Verfilmung wirbt mit dieser „Referenz“. Aber Achtung: Auf wohlige Schauer angesichts sexueller Abenteuer zielen weder Hardys Roman noch Winterbottoms Film ab. Vielmehr geht es um die Sezierung einer Mann-Frau-Beziehung im Gehege einer von krassen Abhängigkeitsverhältnissen und Ungleichheiten geprägten Gesellschaft. Auch wenn sich Winterbottom auf die Geschichte seiner Titelheldin konzentriert, lässt er konsequenterweise nie den gesellschaftlichen Rahmen aus dem Blick: Straßenszenen, die dörfliche Lebenswelt von Trishnas Familie, den Alltag im Hotel, das Treiben in Mumbai. Winterbottom ist mittlerweile ein Thomas-Hardy-Experte; er hat schon mit seinen Filmen „Herzen in Aufruhr“ und „Das Reich und die Herrlichkeit“ bewiesen, wie gut er es versteht, dessen Blick für die sozialen Sollbruchstellen seiner Zeit vorsichtig um andere Perspektiven zu weiten. Dies gelingt ihm auch bei der Verwandlung der viktorianischen Tess in die indische Trishna, die in einer Gesellschaft zu überleben versucht, die ihr so gut wie keine Ansprüche auf Glück zugesteht. Besonders interessant ist die Konturierung der männlichen Hauptfigur, die zwei Gestalten des Romans, den ehrenwerten Geliebten und den Verführer, in einer Person verschmilzt und damit der Heldin ein ungleich vielschichtigeres Gegenüber gibt. Die Korruption der Gefühle unter dem Druck gesellschaftli-cher Verhältnisse bekommt damit noch einmal eine neue Facette.
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