Oben, da ist es grün und weit, die Menschen atmen saubere Luft und schwelgen im Luxus. Unten riecht es nach Dreck und Öl. Hier vegetiert die Mehrheit in Slums vor sich hin, und man kann froh sein, nicht bei einem der zahlreichen Arbeitsunfälle den Maschinen zum Opfer zu fallen, mit denen die Oberen ihr bequemes Leben produzieren lassen. Filmgeschichtlich lässt sich diese Motivik recht genau verorten: Schon in seinem dystopischen Klassiker „Metropolis“ aus dem Jahre 1927 verortete Fritz Lang die sozialen Schichten entlang einer vertikalen Achse. Wir haben längst gelernt, dass Paradiese nur trügerische sein können, wo immer der Mensch versucht, den Dualismus von Himmel und Hölle nachzubauen.
Vielleicht lässt Neill Blomkamp deswegen nur selten eine schwärmerische Totale von „Elysium“ zu, diesem Refugium nahe der Erde im All, auf das die Superreichen geflohen sind vor den Zumutungen der terrestrischen Wirklichkeit. Seine Referenzen allerdings sind andere: Blomkamp wurde in Johannesburg geboren, und sein Langfilmdebüt „District 9“ dachte 2009 die Apartheid weiter in eine Trennung von Menschen und auf unserem Planeten gestrandeten Aliens, die in eigenen, heruntergekommenen Vierteln zusammengepfercht wurden. Sharlto Copley, der damals den ambivalenten Helden spielte, schlüpft in Blomkamps neuem Film in die Rolle eines psychopathischen Cyborg-Kriegers mit dem vorbelasteten Namen Kruger, eine waschechte Karikatur des bösen Buren, der im Auftrag von Ministerin Delacourt (Jodie Foster) Flüchtlingsschiffe davon abhält, jemals die prächtigen Gärten von Elysium zu erreichen.
Den Verzweifelten geht es jedoch viel eher um die zentrale Errungenschaft dieser Parallelwelt, die sich hinter den Verandatüren der teuren Bungalows versteckt. Die medizinischen Scanner der oberen Zehntausend erkennen und heilen jede Krankheit und jede Verletzung im Handumdrehen. Eines Tages erwischt es auch Max, einen Fabrikarbeiter mit kleinkrimineller Vergangenheit. Max bekommt in seinem Job eine tödliche Dosis radioaktiver Strahlen ab, ein wenig empathischer Arztroboter gibt ihm noch fünf Tage. Matt Damon spielt diesen Jedermann mit einer sympathischen Schnoddrigkeit, die plötzlich in existenzielle Not eskaliert. In dessen graubraun-monochrome Welt wirft Regisseur Blomkamp sich mit der Handkamera, die nicht nur die alltäglichen Scharmützel mit Taschendieben und Polizei-Androiden nervös und hektisch registriert, sondern sich auch in der schussgewaltigeren Action, die noch folgt, den ästhetischen Bedingungen einer ungeordneten, verwirrenden Umgebung unterwirft.
Mit derselben Irritation wächst auch Max in seinen neuen biotechnischen Körper hinein. Das ist der Deal, der ihm versprochen wurde: Hochgerüstet und bewaffnet soll er an die Daten im Hirn eines Elysianers ran, dann gibt es einen Platz in der nächsten Flüchtlingsfähre. Bis zum Ende wird Max nicht heimisch als zweiter Cyborg-Kruger, die Entwicklung seiner Figur ist sorgfältig und, hier im Wortsinne: geerdet. Auch der Film entwickelt seine Geschichte von einem Wendepunkt zum nächsten, der große dramaturgische Masterplan enthüllt sich erst nach und nach. Es kommen mindestens noch Maxens Sandkastenfreundin und ihre todkranke Tochter ins Spiel und ein ganz besonderer Satz von Daten, mit deren Hilfe Max und seine Mitstreiter Elysium ganz neu programmieren könnten. Was verwirrend klingt, erweist sich allerdings als durchaus willkommene Abwechslung im Blockbuster-Genre, das bisweilen allzu stromlinienförmig auf den finalen Bombast zusteuert.
Anfangs jedenfalls: Doch je näher die Protagonisten dann auf Elysium zurücken, desto hysterischer lässt Blomkamp nicht nur seinen Plot entgleisen. Es stecken viele interessante Ideen in dieser Geschichte, nicht nur von Exklusivität als Unterdrückungssystem, sondern auch in der Wechselbeziehung von Emotion, Fleisch und dem Digitalen, die Blomkamp in mancher Einstellung bis zur Grenze des deftigen „body horror“ erörtert. Am Ende lösen sich diese aber, genau wie die Ahnungen einer eigenen inszenatorischen Handschrift, in überzeichnete, personalisierte Konflikte und plumpe Gegenüberstellungen auf.