Eine abgebrühte, extrem selbstbewusste Traderin, auf deren Konto die Mitverantwortung für den spektakulären Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers gehen soll, hat sich in ihrem Exil in Monaco die Bank eines russischen Oligarchen als neuen Arbeitgeber ausgesucht. Während sie ihm noch anbietet, ihm bei seiner Geldwäsche behilflich zu sein, treibt sie längst ein doppeltes Spiel. Der in der Hauptrolle bewundernswert wandlungsfähig gespielte Genrefilm verknotet die Handlung intelligent zu einem undurchschaubaren internationalen Machtkampf. Ganz in der Tradition von Hitchcock, beherrscht der Film souverän seine Partitur aus Lügen und Geheimnissen ohne Knalleffekte.
- Ab 16.
Die Möbius-Affäre
Spionagefilm | Frankreich/Belgien 2013 | 108 (24 B./sec.)/104 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Eric Rochant
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Filmdaten
- Originaltitel
- MÖBIUS
- Produktionsland
- Frankreich/Belgien
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- Récifilms/Axel Films/Les Productions de Trésor/Europacorp/JD Prod./Frankce 3 Cinéma/Samsa Film/Artémis Prod./RTBF/Belgacom
- Regie
- Eric Rochant
- Buch
- Eric Rochant
- Kamera
- Pierre Novion
- Musik
- Jonathan Morali
- Schnitt
- Pascale Fenouillet
- Darsteller
- Jean Dujardin (Grégory Lioubov alias Moïse) · Cécile de France (Alice Redmond) · Émilie Dequenne (Sandra) · Wendell Pierce (Bob) · Tim Roth (Ivan Rostovski)
- Länge
- 108 (24 B.
sec.)
104 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- 01.08.2013
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Spionagefilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Éric Rochant hat eine Vorliebe für die zwielichtigen Machenschaften der Geheimdienste. Nach dem Mossad („Staatsauftrag: Mord“) und einem Fernseh-Abstecher in die Welt der Mafia („Mafiosa“) sind es in seinem neuesten Thriller der russische FSB und die CIA, die die Fäden ziehen. Vor allem die zentrale Frauenfigur erstaunt: Die bewundernswert wandlungsfähige Cécile de France verkörpert eine abgebrühte Traderin, auf deren Konto die Mitverantwortung für den spektakulären Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers gehen soll. Die Amerikanerin strahlt durch alle Poren ein beängstigendes Selbstbewusstsein aus. Kein Wunder, dass sie sich in ihrem Exil in Monaco ausgerechnet die Bank eines russischen Oligarchen als neuen Arbeitgeber ausgesucht hat. Das Wort „Skrupel“ kommt in ihrem Wortschatz ohnehin nicht vor. Kaum ist der mit Tim Roth aufs Treffendste besetzte Chef im Haus, steuert sie unangemeldet sein Büro an und lässt durchblicken, dass sie ihm bei seiner Geldwäsche mit besonders spitzfindigen Anlageprodukten behilflich sein könnte. Da treibt die ehrgeizige, sinnliche Draufgängerin bereits ein doppeltes Spiel. In der Hoffnung, eine Rückkehr in die USA erreichen zu können, wo ihr kranker Vater lebt, ließ sie sich sowohl von der CIA als auch vom FSB als Maulwurf anwerben. Den Russen ist das kriminelle Treiben des Ivan Rostovski nicht ohne Grund ein Dorn im Auge. Der Oligarch soll medienwirksam geopfert werden, damit ein Ex-KGB-Oberst zum mächtigsten Mann des FSB aufsteigen kann. Sein Ziehsohn Grégory Lioubov, der es unter der gezielten Projektion vom jugendlichen Gangster bis zum Top-Spion geschafft hat, übernimmt den Auftrag. Er soll die vor allem auf eigene Rechnung kooperierende Alice unter Vortäuschung einer falschen Identität bei der Beschaffung von Beweismitteln gegen Rostovski unterstützen. Ein Observierungsteam, das sich als Beamte einer monegassischen Finanzbehörde tarnt, arbeitet ihm dabei zu. Ein dreifaches Katz-und-Maus-Spiel beginnt, wie man es von einem intelligent verknoteten und einigermaßen realitätsnahen Plot erwartet.
Die millionenschweren Kulissen an der Côte d‘Azur sowie im neureichen Moskau verfehlen nicht ihre Wirkung. Das gilt auch für die ausgefeilten Dialoge und die Musik, welche dem Geschehen eine vibrierende Eleganz verpasst. Der russische Agent in Gestalt von Jean Dujardin landet schon mal, in James-Bond-Manier vom Helikopter springend, auf einer Yacht; der Anzug sitzt und das anschließende Gespräch hinterlässt kein gutes Haar an seiner Branche. Bis auf einen furios lautlosen Kampf im Lift machen sich Gewaltszenen angenehm rar. Dafür rückt die Liebesgeschichte zwischen dem weiblichen Finanzhai und dem melancholisch desillusionierten Geheimdienst-Handlanger zunehmend in den Vordergrund. Vorbildlich jongliert Rochant mit genderspezifischen Zuweisungen. Alice übernimmt von Anfang an das Kommando bei der Paarbildung, sie wirbt offensiv um ihre, eine schmackhafte Maskulinität ausstrahlende Beute. Sogar ein Zitat aus Godards „Die Verachtung“ fließt mit ein. Ließ sich noch die nackte Brigitte Bardot ihre Attraktivität durch die Aufzählung ihrer körperlichen Vorzüge von Michel Piccoli bestätigen, erfreut sich die lebenshungrig genießende Alice im Bett an allen Details des Geschenks, das ihr mit dem entspannt passiven Sexobjekt Lioubov zuteil wurde. Dass es ausgerechnet seine Schutz spendenden, starken Arme sind, die ihr eine Zukunft mit ihm erstrebenswert erscheinen lassen, ist indes ein mutloser Bruch in der Figurenzeichnung einer der spannendsten und ambivalentesten Heldinnen seit langem, der sich aber letztlich verschmerzen lässt: Im Finale erweisen sich beide Liebenden als ahnungslose Spielbälle eines undurchschaubaren internationalen Machtkampfs. Ein in der Tradition von Hitchcock stehender Genrefilm, der seine Partitur aus Lügen und Geheimnissen ohne Knalleffekte beherrscht. Im heutigen Kino eine Rarität.
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