The Sessions - Wenn Worte berühren

- | USA 2012 | 96 (24 B./sec.)/92 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Ben Lewin

Seit er als Kind an Polio erkrankte, ist ein Mann gelähmt und auf Pflege angewiesen, freilich alles andere als empfindungslos. Mit zunehmendem Alter macht sich bei ihm der Wunsch breit, seine Sexualität auszuleben, wofür er die Hilfestellung einer Sexualtherapeutin findet. Ein erfrischend offenherziges Feel-Good-Movie, das die Reizthemen Sexualität und Behinderung ebenso unverblümt wie leichthändig angeht. Auch dank außergewöhnlicher Darsteller unterhält der Film mit nicht allzu viel Beschwernis vorzüglich. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE SESSIONS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Fox Searchlight/Such Much Films/Rhino Films
Regie
Ben Lewin
Buch
Ben Lewin
Kamera
Geoffrey Simpson
Musik
Marco Beltrami
Schnitt
Lisa Bromwell
Darsteller
John Hawkes (Mark O'Brien) · Helen Hunt (Cheryl) · William H. Macy (Father Brendan) · Moon Bloodgood (Vera) · Annika Marks (Amanda)
Länge
96 (24 B.
sec.)
92 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
03.01.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Fox (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Fox (16:9, 1.78:1, dts-HD engl./dt.)
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Diskussion
Krankheit als Chance, als Chance für die Nicht-Kranken, etwas über das Leben zu lernen – so lautet aktuell eine Formel, um im Kino wie auch auf Festivals einen Publikumserfolg zu landen. Unsentimental sollte die Erzählung möglichst auch noch sein, was am besten gelingt, wenn es sich bei den Kranken um Zyniker handelt, hinter deren harter Schale ein weicher, verletzlicher, vielleicht sogar verzweifelter Kern schlummert. „Ziemlich beste Freunde“ (fd 40 842), „Renn, wenn du kannst“ (fd 39 972), „Blaubeerblau“ oder „Ein Tick anders“ (fd 40 450) heißen Feel-Good-Versionen von „Rain Man“ (fd 27 420) oder „Mein linker Fuß“ (fd 28 104). Und ab sofort „The Sessions – Wenn Worte berühren“. Der Film von Ben Lewin basiert auf einer wahren Geschichte: Mark O’Brien (1949-1999) erkrankte als Kind an Polio und war Zeit seines Lebens am ganzen Körper gelähmt und auf die Hilfe einer Eisernen Lunge angewiesen. Trotz dieser Widrigkeiten studierte er Journalismus und arbeitete als Dichter und Journalist. Etwa an einer Geschichte, wie Menschen mit Behinderung ihre Sexualität leben. Mark kann sich zwar nicht bewegen, aber seine Haut ist durchaus sensibel, weshalb es beim Waschen durch seine attraktive Pflegerin Amanda mitunter recht aufregend wird. O’Brien beschließt, dass es an der Zeit wäre, Sex zu haben. Da er aber ein gläubiger Katholik ist, bespricht er dieses Begehren zunächst mit einem Priester. Der gibt, leicht indigniert, aber großzügig, grünes Licht. In „The Sessions“ wird nicht nur viel über Sex geredet, sondern auch viel Sex gezeigt, weshalb der Film in den USA ein „R“ bekam. Das ist ärgerlich, weil der Film ja eine Feier des Lebens sein will, die auch ein jüngeres, aufgeschlossenes Publikum interessieren könnte. Denn so absurd wie unterhaltsam handelt der Film davon, dass ein Gelähmter, seine Pflegerin, ein Hotelangestellter, ein katholischer Priester und eine kalifornische Sextherapeutin in einer Weise über Sex reden und Sex praktizieren, die befreiend wirken soll. Die Konstruktion als Feel-Good-Movie ist dabei annähernd perfekt: Es dominiert ein trockener Witz, selbst wo es um Leben und Tod geht; außerdem ist der Film in sämtlichen Hauptrollen, die Mut und Mühe erfordern, herausragend besetzt: John Hawkes meistert die Rolle des körperlich Gehandicapten bis in die Stimmlage hinein mit Bravour, Helen Hunt scheint wieder einmal von innen her zu leuchten, William H. Macy trägt als dem Leben aufgeschlossener Priester die wohl schönste Frisur seiner Karriere. Keine Frage: „The Sessions“ will unterhalten, nicht unter Niveau, aber auch nicht mit all zu viel Beschwernis und Pein. Einmal könnte ein Stromausfall O’Brien fast ums Leben bringen, aber selbst hier verliert der Film nicht seine proklamierte Leichtigkeit, die explizit nicht ausschließt, dass es auf einer anderen Ebene um lebensphilosophischen Tiefgang und Weisheit geht. Nachdem die Sache mit Amanda nicht funktioniert hat, engagiert O’Brien die Sexualtherapeutin Cheryl Cohen-Greene, die ihn innerhalb einer befristeten Zeit (sechs Sitzungen sind das professionell erlaubte Maximum) in die Wonnen der Sexualität einführen soll. Cheryl ist ein Profi, die mittels fester Regeln dafür sorgt, dass sich nach Möglichkeit keine Gefühle ins Geschäft mischen. Leider funktionieren diese Regeln im Falle von O’Brien nicht, weshalb die Ehe von Cheryl und ihrem Ehemann, der etwas schematisch als „Philosoph“ eingeführt wird, einer ernsthaften Belastungsprobe unterzogen wird. Nähert man sich der filmischen Konstellation mit einer ganzheitlichen „Body and Soul“-Vorstellung, dann scheint von der eingeschränkten Körperlichkeit O’Briens, gepaart mit seinem Witz, ein größerer Reiz auszugehen als vom Geist ohne Handicap. Jedenfalls scheint O’Brien die Frauen in seiner Umgebung zu verzaubern. Eine Ausnahme ist die Pflegerin Vera, die zwar anders als Cheryl kein Privatleben zugestanden bekommt, sondern allein in Bezug auf O’Brien gezeigt wird. Allerdings darf Vera „stonefaced“ mit einem Hotelmanager flirten, als Cheryl und O’Brien ihre Therapie-Sitzungen in die Öffentlichkeit verlegen müssen. Doch Vera ist mehr als eine Stichwortgeberin; die hingebungsvolle, dabei diskrete Pflegerin ist in jeder Hinsicht das Scharnier der Erzählung, ist sie es doch, die O’Brien von Station zu Station, von Sphäre zu Sphäre transportiert. Seltsamerweise interessiert sich der Film nicht sonderlich für diese Figur, bei der doch alle Fäden der Erzählung zusammenlaufen. Dass Menschen mit Behinderung ein Recht auf das Ausleben ihrer sexuellen Bedürfnisse habe, wäre zu banal, um „The Sessions“ auf die Spur zu kommen. Hier geht es eher darum, was „gesunde“ Profis in Sachen Pflege, Sexualität und Spiritualität aus der Begegnung mit einem ganz besonders herausgeforderten Menschen über sich selbst und ihre Defizite lernen können. Das ist die frohe Botschaft, die den Film zum Zuschauerliebling prädestiniert.
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