Our Idiot Brother

Tragikomödie | USA 2011 | 90 Minuten

Regie: Jesse Peretz

Nach einem Knastaufenthalt sucht ein Spät-Hippie und Bio-Bauer, der der Welt mit kindlicher Gutgläubigkeit und Gutmütigkeit begegnet, Unterschlupf bei seiner Familie und beginnt eine Odyssee durch die Gästequartiere seiner drei Schwestern. Dabei wirbelt er deren Familien-, Berufs- und Liebesleben durcheinander und bringt ihre Lebenslügen zum Einsturz. Warmherzige Tragikomödie um einen "reinen Narren", die verschiedene Lebensentwürfe auf ihre Schwachpunkte abklopft und dabei weniger auf laute Gags als auf einfühlsame Charakterzeichnungen setzt. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
OUR IDIOT BROTHER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Big Beach Films/Likely Story/Yuk Film
Regie
Jesse Peretz
Buch
Evgenia Peretz · David Schisgall
Kamera
Yaron Orbach
Musik
Eric D. Johnson · Nathan Larson
Schnitt
Jacob Craycroft · Andrew Mondshein
Darsteller
Paul Rudd (Ned) · Elizabeth Banks (Miranda) · Zooey Deschanel (Natalie) · Emily Mortimer (Liz) · Steve Coogan (Dylan)
Länge
90 Minuten
Kinostart
17.05.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Tragikomödie
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Diskussion
Welch ein Idiot, möchte man ausrufen, wenn sich Bio-Bauer Ned Rochlin von einem Polizisten überreden lässt, diesem ein Tütchen Gras zu verkaufen – und daraufhin prompt verhaftet wird. Ned hereinzulegen ist kein Kunststück, denn der Spät-Hippie begegnet der Welt mit der Vertrauensseligkeit eines Kindes. Nach der Sache mit dem Gras ist es mit dem idyllischen Leben auf einer winzigen Bio-Farm erst einmal vorbei: Ned landet im Knast. Seiner Gutmütigkeit tut die allerdings keinen Abbruch; wegen guter Führung wird er vorzeitig entlassen. Seine Freundin Janet hat ihn in der Zwischenzeit durch einen anderen ersetzt und weist ihm unsanft die Tür, was Ned nicht zuletzt deshalb schmerzt, weil er seinen geliebten Hund Willie Nelson zurücklassen muss. Notgedrungen sucht er bei seiner Mutter Ilene Unterschlupf, später bei seinen drei Schwestern: der ökologisch bewussten, politisch korrekten Liz, die mit ihrer Familie ein scheinbar erfülltes und perfekt durchorganisiertes Leben führt; der quirligen, bisexuellen Natalie, die mehr schlecht als recht ihr Glück als Stand-Up-Comedian versucht; und bei Miranda, einer vom Ehrgeiz getriebenen „Vanity Fair“-Redakteurin, die auf ihren großen Durchbruch wartet und dafür nahezu alles tun würde. So beginnt für Ned eine unfreiwillige Odyssee durch die unterschiedlichen Gästequartiere und die grundverschiedenen Lebenskonzepte der Familie Rochlin. Komödien, die einen naiven Sonderling in den Mittelpunkt stellen, gibt es genug, doch „Our Idiot Brother“ bewegt sich auf einem erfreulich ambitionierten Niveau. Das ist auch Paul Rudd zu verdanken, der seine Figur eines „reinen Narren“ so herzlich und ehrlich spielt, dass bald klar ist: Dieser Ned ist keineswegs ein Idiot. Rudd gelingt glaubhaft die Darstellung eines chaotischen Glücksritters, der sich als Gegenentwurf zur zynischen Ellbogengesellschaft versteht und dazu entschieden hat, seinen Mitmenschen zu vertrauen. Etwa in der U-Bahn, wenn Ned einen neben ihm sitzenden Fremden bittet, kurz ein loses Bündel Geldscheine für ihn zu halten, damit er die Hände frei hat, um seinen verschütteten Kaffee wegzuwischen: Wahrscheinlich hätte Ned keinen größeren Ausdruck fassungslosen Staunens in die Gesichter zaubern können, wenn er sich vor den Augen der Fahrgäste in ein Zebra verwandelt hätte, als es ihm mit dieser Geste schlichten Glaubens an die Redlichkeit seiner Mitmenschen gelingt. Im Laufe des Films verschlägt es Ned von einer Schwester zur anderen. Diese begegnen ihm durchaus liebevoll, sind aber von seiner Anwesenheit spürbar irritiert. Wenn seine ungefilterte Offenheit ihre jeweiligen Lebensentwürfe zu stören beginnt, wird der „Idioten-Bruder“ weitergereicht. Was nicht verhindert, dass das Leben der Rochlin-Schwestern in ernste Existenzkrisen gerät. Doch so ungehalten die Frauen darauf auch reagieren: Letztlich müssen Miranda, Liz und Natalie einsehen, dass Ned nicht der Grund für ihre Probleme ist. Vielmehr lässt der brüderliche Einfluss die Fassaden bröckeln, hinter denen die Schwestern ihre Selbstlügen und die Brüche in ihrem Lifestyle zu kaschieren versuchen. Das Drehbuch vermeidet es mit angenehmem Understatement, die komischen Momente zu übertreiben: Absurde Situationen werden aufgebaut und ausgekostet, aber nicht ausgereizt, sodass die Figuren nie der Lächerlichkeit preisgegeben werden, vielmehr glaubwürdig bleiben. Auch geht die Ernsthaftigkeit bei aller Komik nicht gänzlich verloren. Besonders erfrischend: Ein sich anbahnender Nebenplot über eine aufkeimende Beziehung zwischen Ned und der High-Society-Lady Arabella endet gleichermaßen abrupt wie lakonisch-komisch, wobei die Inszenierung nonchalant die Erwartungshaltung unterläuft. Derartige Freiräume nutzt Jesse Peretz, um der Geschichte genügend Platz für die Ausgestaltung der Schwestern und ihrer Beziehungsstrukturen zu geben. Neben Paul Rudd überzeugen vor allem die Darstellerinnen der Rochlin-Schwestern, doch auch kleinere Nebenrollen sind trefflich besetzt.
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