Drama | Ungarn/Deutschland/Frankreich 2011 | 91 Minuten

Regie: Bence Fliegauf

Nach dem Mordanschlag auf eine Roma-Familie herrscht in der Nachbarschaft Ausnahmezustand. Der bedrängende Film schildert einen Tag im Leben einer Familie, der von Angst und Diskriminierung geprägt ist und sich nur für kurze, trügerische Momente erhellt. Das Drama übersetzt die Not in unmittelbare Bilder. Durch die subjektive, wenngleich stets höchst subtil gebrochene Erzählweise werden die Erfahrungen der Roma-Familie geradezu physisch nachvollziehbar. Realer Hintergrund des Films ist eine Mordserie, bei der 2008/2009 in Ungarn acht Menschen ermordet wurden. (O.m.d.U.; Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CSAK A SZÉL
Produktionsland
Ungarn/Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Inform M&M Film/The Post Republic/Paprika Films
Regie
Bence Fliegauf
Buch
Bence Fliegauf
Kamera
Zoltán Lovasi
Musik
Bence Fliegauf · Tamás Beke
Schnitt
Xavier Box
Darsteller
Katalin Toldi (Mari) · Gyöngyi Lendvai (Anna) · Lajos Sárkány (Rio) · György Toldi (Großvater)
Länge
91 Minuten
Kinostart
18.07.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Filmgalerie451 (16:9, 1.78:1, DD5.1 ungar.)
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Diskussion
Ein Junge auf einem Feldweg. Nur wenige Meter entfernt, auf der parallel liegenden Landstraße, fährt ein Auto im Schritttempo neben ihm her. Rio, Sohn einer Roma-Familie, die in einem Waldgebiet am Rand einer ungarischen Provinzstadt lebt, hält seinen Blick stur nach vorne gerichtet; nur ab und zu schielt er zur Seite, bevor er sich scheinbar zufällig bückt und wartet, bis der Wagen an ihm vorbeizieht. Der geradeaus und leicht nach unten gesenkte Blick, ängstlich und wachsam, ist symptomatisch für „Just the Wind“. Es ist ein Blick, der nur ein sehr eingeschränktes Sichtfeld eröffnet, der sich bemüht, das Gegenüber nicht durchs Zurückschauen zu provozieren. Man sieht ihn bei Mari, Rios Mutter, und bei seiner Schwester Anna, wenn sie an ihrer Schule dem Hausmeister begegnet, der sie auf einen gestohlenen Fernseher anspricht, oder wenn sie sich aus dem Umkleideraum schleicht, in dem eine Mitschülerin gerade vergewaltigt wird. Selbst wenn die Perspektive des Films in radikal subjektiv wird, ist der Blick verstellt: In einer Szene beobachtet Rio aus dem Wandschrank, in dem er sich versteckt hat, eine Unterhaltung zweier Polizisten. Sie sprechen über die am Vortag geschehene kaltblütige Erschießung einer Roma-Familie. Einer von ihnen äußert sein grundsätzliches Einverständnis mit den Morden, vorausgesetzt, es handele sich dabei um die „üblichen“ Schmarotzer. Der ungarische Regisseur Bence Fliegauf erzählt in „Just the Wind“ von einem Tag im Leben der Familie – ein Tag, in dem Alltag (Arbeit, Schule, ein Nachmittag am See) und Ausnahmezustand (Pogromstimmung) auf erschreckende Weise ineinander fallen. Realer Hintergrund der Geschichte ist eine Mordserie in Ungarn 2008 /2009, in der acht Menschen ermordet wurden – grausamer Höhepunkt des in der Bevölkerung verbreiteten (und über die Grenzen Ungarns weit hinausreichenden) Antiziganismus, der unter dem Rechtskurs der nationalistischen Fidesz-Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán einen idealen Nährboden gefunden hat. Roma-Übergriffe werden geduldet, rechtsextreme Milizen geschützt. Im Film formieren die Roma eine eigene Bürgerwehr, die örtliche Polizei steht ihnen nicht zur Seite. „Just the Wind“ ist eine zutiefst klaustrophobische Erzählung, die nie den Blick öffnet für den Raum – es gibt praktisch keine Totale –, sondern immer ganz nah an den Figuren bleibt, an ihren Körpern, ihrer Beunruhigung und Angst. Der Film arbeitet konsequent auf eine Subjektivierung der Erlebniswelt hin – vermittelt durch eine immer bewegte Handkamera, die die Figuren regelrecht verfolgt – , wobei Fliegauf diese vermeintlich authentische Binnenperspektive (im Gegensatz zu den meisten „Dogma“-inspirierten Filmen) immer wieder mit subtilen Kunstgriffen durchbricht. So macht er etwa auf die Existenz einer Blickordnung aufmerksam, wenn er den Zuschauer momenthaft aus dem Geschehen ausschließt und damit auch ihm sozusagen den Blick verstellt. Einmal ist Rio im Wald zu sehen, wie er etwas über den Boden schleift. Dabei zeigt die Kamera nur sein Gesicht in Großaufnahme, der Kontext wird akustisch vermittelt, bleibt aber diffus (eine Menschenleiche, ein Sack?). Erst der viel später folgende Umschnitt enthüllt das entlaufene und nun tote Schwein der ermordeten Familie. In der Nacht hat es noch geschrieen.
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