Eine Boy-Meets-Girl-Geschichte wie viele andere auch, so scheint es zunächst. Zufällig lernen sich Leo, ein Musikproduzent mit eigenem Studio, und Paige, eine hochtalentierte Bildhauerin, auf der Straße kennen – und verlieben sich auf den ersten Blick. Zwei, die sich gut verstehen, denselben Humor haben, dieselben Interessen. Die Konventionen einer „normalen“ Eheschließung unterlaufen sie, indem sie aus dem Stegreif in einem Museum eine Hochzeitzeremonie nachstellen – mit Gästen, Ring und Schwur. „Ich wünsche mir, dass wir immer den Weg zueinander zurück finden“, sagt Leo; man ahnt, dass diesem Schwur noch eine besondere Bedeutung zukommen soll. Kurz darauf, während einer nächtlichen Autofahrt durch den Schnee, kracht ein Lastwagen in das Auto des Paars, Paige wird schwer verletzt. Als sie Tage später aus dem Koma erwacht, erkennt sie Leo nicht wieder. Schlimmer noch: Sie hat alles vergessen, was in den letzten fünf Jahren passiert ist. Sie weiß nicht mehr, warum sie ihr Jura-Studium abgebrochen hat und Künstlerin geworden ist, warum sie ihren Verlobten Jeremy verlassen und im Streit mit den konservativen, auf Sicherheit bedachten Eltern gebrochen hat. Leo ist für sie plötzlich ein Fremder. Während der junge Mann liebevoll und geduldig versucht, die Erinnerung an ihre glückliche Beziehung wieder zu wecken, setzen Paiges Eltern alles daran, die Vergangenheit ungeschehen machen. Sie holen ihre verunsicherte Tochter zu sich, drängen sie dazu, das Jura-Studium wieder aufzunehmen und sehen mit Wohlwollen, dass ihr Jeremy wieder den Hof macht.
Der amerikanische Originaltitel heißt schlicht und einfach „The Vow“, „Der Schwur“, und verweigert sich somit dem Pathos, mit dem der deutsche Verleih die Zuschauer auf eine falsche Fährte lockt. Nicht, dass es hier nicht auch romantisch, gelegentlich sogar sentimental zuginge; doch die Sachlichkeit des Originaltitels bezieht sich auf die Tatsache, dass der Film auf einer authentischen Geschichte beruht. Während Peter Segals „50 erste Dates“
(fd 36 456) eher die heiteren Aspekte des Gedächtnisverlusts und der ständig neuen Annäherung zwischen Mann und Frau auslotete, widmet sich Regisseur Michael Suscy ernsthaft und anspruchsvoll den existenziellen Fragen seiner Prämisse: Warum verdrängt der Mensch so erfolgreich einen Teil seiner persönlichen Geschichte? Was bedeutet das Fehlen dieser Jahre für die weitere Entwicklung der Persönlichkeit? Wird man dieselben Entscheidungen treffen, oder nimmt das Leben eine andere Richtung? Und kann man sich zum zweiten Mal in denselben Menschen verlieben? Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt, die sich nicht ignorieren und vielleicht nicht lösen lassen.
Die dramatische Spannung des Films entsteht durch das unüberbrückbare Gefälle zwischen der Verliebtheit des Mannes und der Identitätslosigkeit der Frau. So haben Leos Versuche, mit dem Besuch von gemeinsamen Orten oder der Wiederholung von gemeinsamen Erlebnissen Paige die Erinnerung zu erleichtern, in ihrer Vergeblichkeit etwas Anrührendes und Tragisches. In seinem Bemühen, die Konflikte deutlich herauszuarbeiten, geht der Regisseur gelegentlich allerdings zu weit. So sind der von Scott Speedman gespielte Ex-Verlobte und Sam Neill als Vater mit ihrem Egoismus, ihrer Gedankenlosigkeit und Skrupellosigkeit viel zu eindimensional und übertrieben angelegt. Eine Überraschung hingegen ist der Hauptdarsteller Channing Tatum. Während er in „G.I. Joe“
(fd 39 430) noch als muskelbepackter Actionheld und in „Leuchten der Stille“
(fd 39 853) als steifer Liebhaber agierte, mimt er hier vielschichtig einen ratlosen Mann, der allmählich lernen muss, loszulassen. Rachel McAdams, die in „Sherlock Holmes – Spiel im Schatten“
(fd 40 830) so früh und lieblos aus dem Film verbannt wurde, überzeugt als zunächst natürliche und lebensfreudige, später dann verunsicherte, orientierungslose junge Frau, die den vielen Ansprüchen ihrer Umgebung nicht gerecht werden kann (und will) und ihren eigenen Weg finden muss.