Abrir puertas y ventanas

Drama | Argentinien/Schweiz/Niederlande 2011 | 99 Minuten

Regie: Milagros Mumenthaler

Argentinien während der Militärdiktatur in den 1990er-Jahren: Drei Schwestern, junge Frauen, die von ihrer Großmutter großgezogen wurden, müssen sich nach deren Tod allein in ihrem Leben arrangieren und orientieren. Als die Jüngste das behütende Haus aus heiterem Himmel verlässt, erkennen sie, wie wenig sie voneinander wissen. Der an Tschechows Drama "Drei Schwestern" angelehnte Erstlingsfilm erzählt sensibel und mit viel Einfühlungsvermögen die Geschichte dreier Menschen, die einander zärtlich zugetan sind, aber lernen müssen, das Leben in Hinblick auf die eigenen Fähigkeiten und Talente individuell zu meistern.(O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
ABRIR PUERTAS Y VENTANAS
Produktionsland
Argentinien/Schweiz/Niederlande
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Alina Film/Ruda Cine/Walterland Film &TV/RTS
Regie
Milagros Mumenthaler
Buch
Milagros Mumenthaler
Kamera
Martín Frías
Schnitt
Gion-Reto Killias
Darsteller
María Canale (Marina) · Martina Juncadella (Sofia) · Ailín Salas (Violeta) · Julián Tello (Francisco) · Andrés Granier (Pedro)
Länge
99 Minuten
Kinostart
25.09.2014
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Buenos Aires im Spätsommer, irgendwann in den 1990er-Jahren. In einer alten Villa am Rand der Stadt leben die Schwestern Marina, Sofia und Violeta. Ihre Eltern sind vor einigen Jahren gestorben oder spurlos verschwunden, wie so viele Menschen in den Jahren der Militärdiktatur. So genau wird dies in „Abrir puertas y ventanas“ nicht festgelegt. Die drei wurden von ihrer Großmutter aufgezogen, doch diese ist vor einigen Monaten an einem Herzinfarkt gestorben, und damit haben die Geschwister ihren letzten Halt verloren. Sie versuchen, so gut es eben geht, mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Marina, die Älteste und Vernünftigste, besucht die Uni, kontrolliert die Finanzen, kümmert sich um die Verwaltung der kleinen Familie. Sofia, die Mittlere, studiert eigentlich auch, nämlich Architektur; manchmal helfen ihr die Schwestern, Modelle zu basteln. Doch wichtiger als die Ausbildung sind Sofia Aussehen und Geld, von dem die anderen nicht ahnen, woher sie es hat; ihr Leben ist auf Kleider, Ausgehen und Vergnügen ausgerichtet. Die jüngste aber, Violeta, hat ihre schulische Ausbildung abgebrochen. Sie driftet durch die Tage, stromert durch Haus und Garten, schaut stundenlang fern. Ab und zu, wenn die andern nicht da sind, erhält sie Besuch von einem Mann. Ihr Liebhaber ist wegen seines Berufs oft auf Reisen; Violeta kann mit ihm lachen, glücklich sein, Gitarre spielen. Eines Tages ist sie spurlos verschwunden. Sie habe nicht einmal gewusst, dass Violeta eine Beziehung habe, sagt Sofia konsterniert, als sie deren Abschiedsbrief liest: So nah sich die drei einmal gewesen sind, so fremd sind sie sich geworden. Der Zuschauer liegt nicht falsch, wenn er sich beim Betrachten dieses zauberhaften Debütfilms von Milagros Mumenthaler unvermittelt an Anton Tschechows „Drei Schwestern“ erinnert. Die Paraphrase des Klassikers ist allerdings ganz gegenwärtig, gleichwohl magisch-rätselhaft. Der Film spielt ausschließlich im Haus, das die Schwestern bewohnen, sowie in dessen unmittelbarer Nähe. Einmal bewegt sich die Kamera bis vors Gartentor, an anderes Mal erhält Marina tief in der Nacht Besuch von der Oma; doch es ist nichts Gespenstisches an dieser Begegnung mit dem Geist der Toten. Überhaupt sind die Beiläufigkeit, die unprätentiöse, gleichwohl durchkomponierte Inszenierung die eindrucksvollsten Elemente des Films, der mit traumwandlerischer Leichtigkeit vorführt, wie drei einander zärtlich zugetane, von Temperament und Charakter aber sehr unterschiedliche junge Frauen trauern, loslassen und ihren eigenen Lebensweg schließlich weiter zu gehen lernen. Mumenthalers Film ist ein in seiner stillen, beiläufigen Gelassenheit und Sensibilität eindrücklicher Frauenfilm. Er bewegt sich in seiner ungefähren Erzählweise, mit seiner dem Realismus verpflichteten Ästhetik und der spannungsgeladenen atmosphärischen Dichte in der Tradition eines neuen argentinischen Kinos, das in den letzten zehn Jahren nicht nur ästhetisch, sondern auch thematisch den Aufbruch wagte. Die „Goldenen Leoparden“ beim Festival in Locarno 2011, die Mumenthaler und die Darstellerin der Marina, María Canale, gewannen, waren hochverdient.
Kommentar verfassen

Kommentieren