Deutsche Beziehungskomödie mal anders: Auf der „Berlinale“ 2011 war der Spagat zwischen Aufklärung und flottem Gender-Chaos publikumswirksam aufgegangen, zu Recht, denn selten gelingt die Inspektion einer immer noch voyeuristisch beäugten Identitätskrise so unbeschwert wie in diesem körperbetonten, den Ausnahmezustand der Jugend feiernden Feel-Good-Movie. Die 1974 geborene Regisseurin Sabine Bernardi hat für ihr Spielfilmdebüt einen gründlichen Vorlauf genommen. Bereits mit dem Dokumentarfilm „Transfamily“ machte sie sich mit der Lebenswelt von transsexuellen Männern vertraut. Die gründliche Recherche merkt man „Romeos“ an. Kaum eine Hürde der Geschlechtsumwandlung, körperlicher, emotionaler oder verwaltungstechnischer Art, die hier nicht diskutiert wird. Dass der pädagogische Impetus den Erzählfluss nicht lähmt, verdankt sich einer konsequent durchgehaltenen Genreansage: Love Story trifft Coming-of-Age.
Die Regisseurin möchte ihr Randgruppen-Thema einem möglichst breiten, wenn auch jugendlichen Publikum schmackhaft machen und nutzt geschickt das komische Konfliktpotenzial, das aus einer Konfrontation sich tolerant gebender und zugleich jeder Abweichung misstrauisch begegnender Lebensstile erwächst. Schon der erzählerische Rahmen gehorcht der Komödienkonstellation einer turbulenten WG. Angesiedelt im Kölner Hip-Viertel Ehrenfeld, leistet das bunt zusammen gewürfelte Personal einer katholischen Einrichtung vordergründig sein soziales Jahr ab, hat aber offenbar genug Freizeit, um sich ausgiebig unter das Party-Volk zu mischen. Der 20-jährige Lukas ist da keine Ausnahme. Obwohl äußerlich eindeutig als Junge zu identifizieren, landet er in der Mädchenabteilung des Wohnheims. Seine lebenslustigen Mitbewohnerinnen nehmen die vorgeschobene Erklärung fehlender Unterkünfte erfreut hin. Nur die Leiterin weiß über die Hintergründe der Camouflage Bescheid. Sie begleitet den schwulen Beau, der gerade in der Provinz sein Coming Out absolviert hat, auf dem Weg zur Geschlechtsoperation, auf die er aus rechtlichen Gründen allerdings noch wochenlang warten muss. Erst gilt es die Phase der Hormonbehandlung abzuschließen und die Probe-Existenz als Mann zu meistern. Dank einer alten Schulfreundin, die das schwul-lesbische Nachtleben mit vollen Zügen auskostet, schöpft der verunsicherte Lukas Vertrauen in seine Wunschidentität. Er trainiert täglich mit Hanteln, hält über Internet Kontakt zu anderen Transsexuellen und bringt seine störenden Brüste unter Kontrolle. Als sich der betont maskuline Fabio nach einer durchtanzten Nacht als Liebhaber anbietet, fühlt er sich in seiner sexuellen Ausstrahlung endlich bestätigt, bis der Schwindel mit jeder weiteren intimen Annäherung aufzufliegen droht und Lukas die Flucht in ein sonderbar exzentrisches Verhalten ergreift.
Das Desaster der einbrechenden Wahrheit bleibt dennoch nicht aus und kommt ausgerechnet in der Gestalt der kleinen Schwester daher, die das Geheimnis in einem Anfall von Eifersucht vor aller Welt lüftet. Das einsetzende Mobbing des inzwischen ins Männerhaus umgezogenen Lukas schneidet Bernardi mit klaustrophobischen Duschszenen und pöbelnden Heteros geschickt zu einem aufwühlenden Härtetest, ohne die Drama-Schiene allzu ausgiebig zu strapazieren. Die amourösen Missverständnisse und Gefühlskapriolen des verhinderten Paars schieben sich schnell dazwischen und tragen das stets funktionierende Aroma amüsanter Verwirrungen à la Jane Austen. Alle bekannten Trickfiguren sind als Beiwerk erlaubt, die blonde Unterschicht-Tussi, die ihre lesbische Ader entdeckt, die selbstbewusst freche Schulfreundin, die von einer unglücklichen Beziehung in die nächste stolpert, der schwule italienische Macho, der aus Liebe zu einer „Frau“ seinen Ruf riskiert. Formkühnheiten jenseits fernsehkompatibler Bilder sind zwar Mangelware, die Dialoge kleben gelegentlich zu sehr am Jugendjargon, dafür überzeugt aber die Stimmungslagen fein transportierende Elektro-Musik auf Anhieb. Nicht zuletzt wartet „Romeos“ neben seinem entwaffnenden Optimismus mit einem Versprechen auf: dem ungeschützt und zugleich entschlossen agierenden Rick Okon, dem nach seinem Studium an der HFF Konrad Wolf weitere, hoffentlich fordernde Rollen bevorstehen dürften.