Ein siebenjähriger Junge und seine etwas ältere Schwester werden in den 1980er-Jahren während eines Aufenthalts bei ihrem Großvater im Norden Irans an das traumatisierende Erlebnis eines Bombenangriffs erinnert, bei dem die Mutter ums Leben kam. Der beeindruckende Film nimmt die Perspektive der Kinder ein und passt sich ganz dem Rhythmus ihrer Erinnerungs- und Trauerarbeit an. Schonungslos und sensibel zugleich thematisiert er die Schrecken des Kriegs, ohne dafür drastische Bilder bemühen zu müssen. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 10.
Bad o meh - Wind und Nebel
Kriegsfilm | Iran 2011 | 77 Minuten
Regie: Mohamed Ali Talebi
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Filmdaten
- Originaltitel
- BAD O MEH
- Produktionsland
- Iran
- Produktionsjahr
- 2011
- Produktionsfirma
- Shahed Cultural and Artistic Institute
- Regie
- Mohamed Ali Talebi
- Buch
- Mohamed Ali Talebi
- Kamera
- Ali Mohammad Ghasemi
- Musik
- Mohammad Reza Darvishi
- Schnitt
- Hassan Hassandoost
- Darsteller
- Masume Shakori (Shooka) · Payam Eris (Sahand) · Arasto Safinejad (Vater) · Asadolah Asadnia (Großvater) · Anis Shakorirad (Mutter)
- Länge
- 77 Minuten
- Kinostart
- 20.10.2011
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 10.
- Genre
- Kriegsfilm | Drama
- Externe Links
- IMDb
Diskussion
Ein Pick-Up, ein alter, hellblauer Chevrolet, fährt durch den Regen inmitten eines üppigen, dampfenden Laubwaldes. Die Geräusche der Natur hallen mächtig wieder, Donner ist zu hören, Wildgänse schreien, ein Kuckuck ruft. Der Wagen hält, ein Mann steigt aus, umarmt einen anderen und weint. Sein Weinen reiht sich ein in die Kulisse der Töne. Unwillkürlich erinnert die Eröffnungssequenz von Mohammad Ali Talebis „Bad o Meh“ an Rafi Pitts „Zeit des Zorns“ (fd 39 803): Auch dort steuert der Jäger seinen alten Chevrolet durch einsame, dichte Laubwälder, über kurvige Bergstraßen, verschanzt sich in einer abgelegenen Hütte.
In „Bad o Meh“ ist die Hütte des Großvaters Fluchtpunkt für die Geschwister Shouka und Sahand; sie ist aber auch schützende Herberge. Die Kinder haben Schlimmes erlebt, erst nach und nach wird klar, was geschehen ist. Der Film gliedert sich in drei Teile: Der Vater, der zurück zur Arbeit in den Süden muss, gibt die Kinder beim Großvater im bergigen Norden des Iran ab. Vor allem der siebenjährige, schwer traumatisierte Sahand wird in der kleinen Dorfschule gemobbt; seine große Schwester beschützt ihn nach Kräften. Auf einem Angel-ausflug fällt Sahand eine angeschossene Wildgans vor die Füße. Die Schüsse des Jägers, das weiße Gefieder der Gans wecken verdrängte Erinnerungen. Es folgt eine Erinnerungssequenz, die zurück auf die Ölfelder im Süden führt, in trockene, heiße Wüstenlandschaften. Dort arbeitet der Vater, dorthin hatte er seine Familie mitgenommen. Dort kam bei einem Bombenangriff Sahands Mutter ums Leben; der Junge war dabei und hat überlebt. Im Norden, in der Gegenwart, endet der Film.
Die Perspektive der Kinder ist wesentlich, der Rhythmus des Films passt sich an ihre Erinne-rungs- und ihre Trauerarbeit an. Der Blick ist gleichsam nach innen gerichtet, ein wenig wie in Semih Kaplanoglus „Bal – Honig“ (fd 40 042). Die Landschaften werden zu Seelenlandschaften. Das Gleiche gilt für die verdichteten Ton- und Musikkaskaden: Wenn sich Shouka die blauen Armreifen überstreift, ein Geschenk ihres Großvaters, dann klingelt deren Aufeinanderprallen laut nach – ein Symbol der Hoffnung. Trotzdem wirkt die symbolische Aufgeladenheit, die starke Naturmetaphorik und -mystik nicht überladen oder prätentiös. Der Regisseur setzt seine Mittel überzeugend ein, die Symbolik kontrastiert außerdem mit quasi-dokumentarischen Szenen auf Märkten oder im Dorf. Einzig die Musik könnte an wenigen Stellen etwas zurückgenommener untermalen, beispielsweise, wenn zu Beginn Sahands Trauma orchestriert wird.
„Bad o Meh – Wind und Nebel“ ist ein schonungsloser, sensibler Antikriegsfilm, der zwar mit dem Iran-Irak-Krieg einen kriegerischen Konflikt der 1980er-Jahre als Hintergrund wählt, gleichwohl aber ungebrochen aktuell, universell ist. Ins Kino kommt der Film, weil er als Beitrag in der Kinderfilmsektion „Generation Kplus“ bei der „Berlinale“ 2011 zu sehen war und mit einem Spezialpreis des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ausgezeichnet wurde, der den Verleih ermöglicht. Die FSK hat den Film ab sechs Jahren freigegeben; er eignet sich aber wohl vor allem für ältere Kinder ab zehn Jahre und für Jugendliche. Ohne überflüssige Erklä-rungen, aber auch ohne drastische Bilder wird das Grauen des Krieges erfahrbar gemacht. Die Geschehnisse im Dorf, das Mobbing in der Schule laden zur Identifikation ein. Gleichzeitig steht der Konflikt im dörflichen Mikrokosmos paradigmatisch für Auseinandersetzungen. „Ich schrieb Kindergedichte und Zeichnen mochte ich sehr“, diktiert der Lehrer in einer Szene. Das trifft in etwa den Film: Ein Kindergedicht im Angesicht des Krieges.
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