Prostitution ist nur ein besonderer Ausdruck der allgemeinen Prostitution des Arbeiters“, schreibt Karl Marx 1844. Friedrich Engels bringt 1884 die bürgerliche Ehe als „Sieg des Privateigentums“ mit der Prostitution in Zusammenhang und schwärmt davon, dass nur im Proletariat wirkliche Liebe zu finden sei, weil es hier an Besitz fehle. Eine alte, gerne diskutierte Frage lautet: Ist Prostitution eher Arbeit oder eher Gewalt? Oder beides gleichzeitig? Seit es unter deutschen Schriftstellern nicht mehr als schick gilt, sich mit dem Boxen und den Huren auszukennen oder mit Boxern und Huren zu verkehren, und seitdem das Milieu nicht mehr von Sohrab Shahid Saless („Utopia“, fd 24 796) oder Romuald Karmakar (Episode „Ramses“ in „Deutschland 09“, fd 39 200), sondern massenwirksam eher von Dieter Wedel („Der König von St. Pauli“) beackert wird, ist der Glamour eines Wortes wie „Rotlichtviertel“ ziemlich zurückgegangen. Man weiß nicht viel darüber – und schon gar nicht über globale Verkehrsformen der verharmlosend als „ältestes Gewerbe der Welt“ bezeichneten Tätigkeit. Hier haben viele eine Meinung, aber kaum jemand eine Ahnung, die über Klischees von Fernsehkrimis hinausgeht. „Whores’ Glory“ füllt also zunächst einmal eine Wissenslücke, indem der Film Bilder sammelt, die über einschlägige Orte in Hamburg, Amsterdam, Berlin oder Paris hinausgehen.
Der österreichische Filmemacher Michael Glawogger geht zudem davon aus, dass sich das Mann-Frau-Verhältnis in allen Kulturkreisen an Hand der Prostitution darstellen lässt (gewissermaßen unter den Bedingungen einer beschleunigten Kommunikation) und belegt seine These mit drei ausführlichen Feldstudien: in Thailand, Bangladesch und Mexiko. Unterdrückung, Zwangsprostitution, Gewalt, Drogen, Armut – all das begegnet einem auch in Glawoggers Exkursionen, doch der Film erzählt eine Vielzahl weitaus differenzierterer Geschichten, indem er den Frauen eine Stimme gibt, auch die Freier zu Wort kommen lässt und ansonsten mit viel Geduld die Kamera die geschäftlichen Interaktionen beobachten lässt. Ohne gleich moralische Verarbeitungsraster und Wertungen in Anschlag zu bringen!
Schon die Orte des Films sind ganz und gar erstaunlich und sprechen davon, wie unterschiedlich Gesellschaften mit ihrem Wissen um die Prostitution umgehen. Glawogger, der mit „Whores’ Glory“ seine viel beachtete, vielfach ausgezeichnete und höchst kontrovers diskutierte Trilogie über globalisierte Lebens- und Arbeitswelten („Megacities“, fd 33 726, „Workingman’s Death“, fd 37 581) beendet, lässt sich von der Annahme leiten, dass Sexualität sich nicht auf ein einfaches Tauschverhältnis „Körper gegen Geld“ reduzieren lässt: „Wenn der Preis ausgehandelt ist, dann stehen einander zwei Menschen aus Fleisch und Blut gegenüber, um miteinander Sex zu haben. Was macht das mit ihnen? Was tut es mit ihrer Psyche und ihren Emotionen?“, fragt der Filmemacher.
Tatsächlich gelingt es ihm zu zeigen, dass Prostitution ein mindestens so komplexes und widersprüchliches Setting ist wie Pornografie. Wenn man sich Neugier gestattet, gibt es hier Unerhörtes (und auch unerhört Komisches inmitten des Traurigen) zu entdecken. Gleichzeitig aber ertappt man sich beim Sehen des Films immer wieder beim Nachdenken, wie Glawogger und sein Kameramann Wolfgang Thaler diese Nähe zu den Frauen hergestellt haben. Im großen Vertrauen darauf, dass die Filmemacher ihnen hinterher am Schneidetisch nicht die Würde nehmen, äußern sich die Protagonistinnen ziemlich ungeschützt und freimütig – und lassen auch die Verletzungen und Entwürdigungen aufblitzen, die ihr Alltag mit sich bringt. Man muss sich nur die Freier, zumal wenn sie wie in Mexiko großspurig als Männergruppe auftreten und sich gegenseitig diskreditieren, anschauen, um einen Eindruck davon zu bekommen, womit es die Frauen zu tun haben. Ganz zum Schluss bleibt die Kamera ein einziges Mal im Raum, während gearbeitet wird – und man staunt über die kompromisslose Professionalität der Prostituierten, die keinen Millimeter vom ausgehandelten Deal abweicht. Höflich, aber bestimmt. Dass einige Szenen offenkundig inszeniert sind, kann man angesichts der Nähe zu den Personen verschmerzen; auf die Dauerbeschallung mit hipper Popmusik von CocoRosie über PJ Harvey bis hin zum Duett von Maike Rosa Vogel und Konstantin Gropper hätte man dagegen gerne verzichtet, zumal mit dieser Musik die Filmbilder sehr stilisiert und mit Pose aufgeladen werden.