In Europas fernem wildem Westen, wo die Iren gerne schon mal jeglichen englischen Akzent negieren und einfach nur Gälisch sprechen, leben die Menschen noch ohne Bedenken. Die Konsequenzen ihres Tuns und Handeln werden allenfalls den Schafen oder der örtlichen Pub-Gemeinschaft ausgebreitet. Wer hier Polizist ist, hat es beileibe nicht einfach. Wenn man sich aber wie Sergeant Gerry Boyle mit den Gegebenheiten arrangiert, kann das Leben recht lebenswert sein. Boyle erhält zwar mit Aidan McBride einen eher komplizierten und überengagierten neuen Kollegen aus der Stadt, aber den kann man ja noch einschleifen. Dumm ist nur, dass mit einem nicht nur für Connemara mysteriösen Mord ungute Zeiten anbrechen. Das an sich ist noch kein Grund für Boyle, seinen Wochenrhythmus zu ändern, der aus Besuchen seiner immer kränker werdenden Mutter, den sehr eigenwilligen Nuttenbesuchen aus der Stadt sowie im Dienst nach Vorschrift besteht. Im Dunstkreis des Mordes taucht allerdings noch ein anderes Störenfried in seinem Zuständigkeitsbereich auf: Ein gewisser Agent Wendell Everett vom FBI findet den Weg in seine Polizeistation. Der studierte Polizist aus Amerika betrachtet sich überdies auch als verantwortlich in einem Fall, der die beschauliche Küstengegend binnen kürzester Zeit zum Brennpunkt des organisierten Verbrechens macht. Ein 500 Mio. Dollar schwerer Drogentransport soll hier binnen der nächsten Tage den Küstenstreifen erreichen und diverse skrupellose Gangster in die Gegend ziehen. Während McBride seine Aufregung kaum noch verbergen kann, geht für Boyle der irische Gleichmut flöten. Konnte er bislang seine Zoten und politisch deplatzierten Witze ohne Konsequenzen in den nicht vorhandenen Bart grummeln, trifft er nun auf einen gebildeten Schwarzen aus den Staaten, der jedes beleidigende Wort gleich auf die Goldwaage legt. Doch je mehr die beiden Streithähne aneinander geraten und sich in ihren Ermittlungen behindern, desto klarer wird Boyle, dass das organisierte Verbrechen seine Gegend schon längst fest im Griff hat. In ihm reift eine schreckliche Vorstellung: dem Einzigen, dem er noch trauen kann, ist der Amerikaner. So kommt es zum Shootout, in dem das FBI und ungewollt auch die IRA auf ungewöhnliche Weise zur Allianz der Guten gehören.
Mit John Michael McDonaghs absurder Krimödie „The Guard“ erfährt „schwarzer Humor“ eine ganz neue Bedeutungsebene. Der in London geborene und mit Irland familiär verbundene Regisseur (nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Martin McDonagh, dem Regisseur des komödiantisch ähnlich gelagerten „Brügge sehen... und sterben?“, fd 38 723) gibt dem bitterbösen Humor der Insel eine larmoyante und zudem fatalistische, also zutiefst irische Note, die aus dem originellen Drehbuch einen denkwürdig unterhaltsamen, attraktiv bebilderten Film macht. Berührende Sequenzen wie die zwischen Boyle und seiner Mutter stehen gleichberechtigt neben absurd-komischen, etwa jener, in der der amerikanische Polizist versucht, in bestem Englisch im westirischen Gaeltacht-Gebiet weiterzukommen. Überzeugend vorgetragene Vorurteile und Rassenressentiments haben in der Welt von „The Guard“ ebenso Platz wie das Miteinander mit einem Pint oder einer Tasse Tee. McDonaghs Gespür für Timing und Pointen funktioniert allerdings nur dann, wenn er mindestens zwei Darsteller zur Verfügung hat, die sich in ihren Gegensätzen perfekt anziehen. Neben den ungläubigen Blicken Don Cheadles ist es vor allem Brendan Gleesons grummelig-stoisches Spiel, das „The Guard“ so einzigartig macht. Wo sonst gibt es in einem Film Gangster, die sich während einer langen Autofahrt über ihre Lieblingsphilosophen austauschen?