„Ganz entspannt im Hier und Jetzt“ hießen die tagebuchartigen Notizen des Stern-Reporters Jörg Andrees Elten, mit denen er 1979 die Sannyasin-Bewegung des Bhagwan Shree Rajneesh in Deutschland populär machte. Darin schilderte der NAPOLA-Zögling Elten seine Erfahrungen in Ashram des „Erleuchteten“, der „Awareness“, eine Art in sich ruhender Aufmerksamkeit, als Ziel der menschlichen Existenz definierte und Meditation als Königsweg zur Überwindung des Egos predigte. Unter den Anhängern, die ab Mitte der 1970er-Jahre nach Poona pilgerten, waren viele westliche Akademiker, darunter Peter Sloterdijk, Joachim-Ernst Berendt, Georg Deuter oder „Löwenzahn“-Moderator Peter Lustig. Bhawagans „Erfolg“, aber mehr noch die Berichte über sexuelle Orgien und das uniforme Auftreten der ganz in Rot gekleideten Sannyasins, stempelten ihn bald zum „Menschenfänger“, dem totalitäre Züge angedichtet wurde; der Versuch, im US-Bundesstaats Oregon mit der Rajneeshpuram-Ranch seine Vision eines friedfertigen Zusammenlebens zu verwirklichen, scheiterte unter anderem an staatlichen Repressionen.
An manche Polemik aus dieser Zeit fühlt man sich in „Sommer in Orange“ erinnert, mit dem Marcus H. Rosenmüller an die gesellschaftlichen Experimente jener Jahre anknüpft. Auf sympathisch-unbekümmerte Weise entwirft er aus der Perspektive eines zwölfjährigen Mädchens eine Culture-Clash-Komödie, in der es eine Berliner Sannyasin-WG ins tiefste Bayern verschlägt. Einer aus der bunten Schar der Mala-Träger hat dort einen Bauernhof geerbt, der in ein Therapie-Zentrum inklusive Buddha-Halle umgewandelt werden soll. Bald wird der sonntägliche Friede der Kirchgänger von Talbichl von ekstatischen Urschrei-Rhythmen zerrissen, was im Grobschnitt eines Feel-Good-Movie sogleich als Satanskult verschrien wird, ohne dass darauf entsprechende Handlungen, etwa von behördlicher Seite, folgen würden. Denn bis zum „Clash“ beim Dorffest, das in eine handfeste Prügelei ausartet, skizziert der kurzweilige, mit knapp zwei Stunden aber auch recht lange Film eine Vielzahl loser Handlungsstränge, unter denen sich die Geschichte der Kreuzberger Göre Lili als verbindende Erzählperspektive herausschält. Mit ihrem Outfit und ihren Ansichten passt sie so gar nicht in die neue Umgebung, ist aber willens und intelligent genug, sich beim schnauzbärtigen Nachbarn an den Mittagstisch zu setzen, wenn der WG-Kühlschrank gerade mal wieder gähnend leer ist. Während die aufgeweckte Schülerin ihre eigenen Erfahrungen mit der scheinbar so krachledernen Welt des Dorfs macht, fühlt sich ihre Mutter Amrita zu Höherem berufen: Sie erliegt dem Charme eines durchreisenden Obergurus und träumt von heiligen „Vibrations“ in Oregon – ohne ihre Kinder, die in ein Internat nach England abgeschoben werden sollen. Innerhalb des ornamental mäandernden Erzählflusses, der auch vor Kalauern nicht Halt macht und die spirituellen Selbstsucher genauso bespöttelt wie die traditionellen Platzhirsche, kristallisiert sich Lilis Kampf mit ihrer Mutter um Zuwendung und Liebe als dramaturgisches Zentrum heraus, mit dem innerhalb des flirrenden Erzähl-Jahrmarkts an Episoden, Figuren, Konflikten und Konstellationen ein Streit um das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung ausgefochten wird. Hier spürt man den (auto-)biografischen Hintergrund der Drehbuchautorin Ursula Gruber besonders deutlich, die in einer Sannyasin-Kommune südlich von München aufwuchs; die Gegensätze werden nicht einfach gegeneinander ausgespielt, sondern relativiert und zugleich vertieft; in einer der prägnantesten Szenen, einer gruppendynamischen Session, die dem vielgeschmähten „Encouter“-Prinzip zu einigem Recht verhilft, „erklärt“ das Drehbuch Amritas Fluchttendenzen familiengeschichtlich, während es der frühreifen Lili zwei surreale „Visionen“ mit Bhagwan höchstpersönlich schenkt, der dabei sogar aus seiner Erleuchtung purzelt, als er realisiert, dass er auf Lilis Probleme keine einzige Antwort hat.
Das Resultat all dessen ist vorhersehbar-konventionell, ohne dass man sich am milden Duktus der Narration mit ihren vielen kleinen Spannungsbögen stoßen oder über den tumultartigen Kapriolen des Finales verzweifeln würde. Was Rosenmüllers Ensemble-Inszenierung, die sich an der Vielzahl der Figuren oft recht kurzatmig abarbeitet, mitunter vermissen lässt, gleicht die elegante Filmmusik von Gerd Baumann aus, die alle Vignetten in einen nachsommerlich-gelassenen Fluss einbindet. Originell wie immer ist Rosenmüllers Coda, die nicht nur auf die ökonomischen Erfolge der Shannyasins anspielt, sondern auch darauf, dass zentrale Elemente der indischen Lebensphilosophie längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind– und sei es nur in Gestalt von tantrischem Sex.