Es ist ein langer Weg zu jenen denkwürdigen finalen Szenen, in denen Astronaut George Taylor realisiert, dass der Planet, auf dem die Affen eine eigene, den Menschen ebenbürtige Kultur entwickelt haben, kein Lichtjahre entfernter Albtraum ist, sondern sein Heimatplanet Erde. Was hat die Freiheitsstatue – und mit ihr die menschliche Zivilisation – zerstört? Im ersten Zyklus des von 1967 bis 1973 produzierten fünfteiligen „Planet der Affen“-Franchise (u.a. fd 15 470) hatten sich, neben anderen Theorien, Indizien verdichtet, ein Atomkrieg, also des Menschen Unvernunft, habe auf der Erde nahezu jedes Leben ausgerottet und somit der Evolution eine neue Spielwiese bereitet. Ein Merkmal guter Wiederbelebungen eines Franchise ist es, dass sie sich nicht krampfhaft an ihre Vorbilder klammern und den Mut haben, eigene Wege zu gehen. Das Prequel „Planet der Affen – Prevolution“ traut sich diese Eigenständigkeit zu. So nimmt die Tragödie der Menschheit, die anhand des Dramas um den Wissenschaftler Will Rodman erzählt wird, nicht mehr Bezug auf die Atomkriegsangst des Kalten Kriegs, sondern lässt sich auf aktuelle Problemstellungen ein.
Niemand möchte in der Haut des jungen Grundlagenforschers stecken, endete doch der vermeintlich große Tag, an dem die bahnbrechenden Ergebnisse seiner Forschung den Geldgebern präsentiert werden sollten, in einem Fiasko: Das corpus delicti, ein weiblicher Schimpanse, wütete einem Berserker gleich im Labor und endete tot im Vortragssaal. Steven Jacobs, Wills Boss im Pharma-Unternehmen Gen-Sys, ist außer sich und bereit, das Projekt, an dessen Ende die Heilung von Alzheimer stehen sollte, abzubrechen. Was jedoch keiner wusste: Nicht ein außer Kontrolle geratenes Experiment hat die Schimpansin wahnsinnig werden lassen, sondern der pure Beschützerinstinkt: Heimlich ist sie Mutter geworden und hatte nur Angst um ihren Kleinen. Das Virus, das den Primaten zum immens intelligenten Wesen mutieren ließ, scheint also harmlos – und ein möglicher Durchbruch im Kampf gegen menschliches Alzheimer gelungen.
Der erste Subplot des Films wird mit bewundernswert epischer Ausführlichkeit etabliert. Will Rodman rettet das Schimpansen-Baby, nennt es Caesar, zieht es gemeinsam mit seinem dementen Vater Charles auf, lernt mit der engagierten Tierärztin Caroline Aranha sein Love-Interest kennen und nimmt erstaunt zur Kenntnis, dass sich die übermäßige Intelligenz der Affenmutter auf den Sohn vererbt hat. Allein dies hätte bereits die Substanz für einen eigenen Film und die emotionale Tragfähigkeit von „E.T.“
(fd 23 743) gehabt: Ein Wesen, das nicht sein darf, hilft einer (durch Krankheit) gebeutelten Familie und erfährt im Gegenzug Geborgenheit vor einer ihm feindlich gesinnten Gesellschaft. Doch „Planet der Affen – Prevolution“ geht damit der Stoff noch lange nicht aus. Dem unter der Obhut der Rodmans zum Menschen-Schimpansen herangewachsenen Caesar wird ein zweiter Subplot gewidmet: In den spießigen Einfamilienhaus-Suburbs ist ein „Biest“ wie Caesar nicht tragbar und muss in einem Affenhaus interniert werden. Die Trennung von seinen Bezugspersonen und die Schikanen des dumpfen Pflegepersonals lassen aus Caesar einen Spartacus der Primaten werden, der, durch schicksalhafte Zufälle begünstigt, die „mitgefangenen“ Hominiden mit Intelligenz sowie seinem revolutionären Gedankengut impft. Ist es im ersten Subplot noch vor allem der brillant aufspielende John Lithgow als zwischen Demenz und Tatendrang hin und her gerissener Vater, so begeistert im zweiten vor allem das Mimen- und Gestenspiel von Andy Serkis. Im Gegensatz zum ersten Zyklus ist „Planet der Affen – Prevolution“ nämlich kein Masken- und Make-up-Film, in dem sich die Menschen in Affenkostümen bewegen, sondern ein CGI-Film, in dem Serkis mittels Motion- bzw. Performance-Capturing in einer Computer generierten (Affen-)Hülle verschwindet, die aber die Regungen des Schauspielers kaum nivelliert. Ähnlich wie mit Gollum in „Herr der Ringe“ (u.a. fd 35 197) gelingt es Serkis, dass man sich emotional mit der „Kunstfigur“ verbündet und sie als lebendigen Charakter akzeptiert.
Nun bedarf ein Prequel zum „Planet der Affen“ neben der dramatischen Interaktion im gesellschaftlichen Mikrokosmos selbstredend auch zwingend einer übergeordneten Eskalation. Das gentechnisch gezüchtete, an Affen getestete Virus, das zunächst Heilung von Alzheimer verspricht und im unerlaubten Menschenexperiment sogar Wills kranken Vater heilt, ist schließlich nicht frei von Nebenwirkungen: In einer „perfektionierten“ Form wird es von einem Gen-Sys-Mitarbeiter unbemerkt eingeatmet und entwickelt schleichend eine fatale virulente Wirkung. Hier kommt der für das Prequel entscheidende dritte Subplot ins Spiel, der auf die Apokalypse referiert, die in den alten Filmen bereits angedeutet wurde; hier zeigen sich aber auch Schwachpunkte in dem über lange Zeit makellosen Film: So sehr „Planet der Affen – Prevolution“ im Kleinen funktioniert, so nachlässig wird er im Angesicht der Katastrophe und droht, in einem Actionszenario voller Ungereimtheiten zu versinken. Dass er das letztendlich nicht tut, ist einem Geniestreich geschuldet, der im Epilog sowie im Abspann verborgen ist. Beide geben dem Film einen möglichen und sinnvoll grimmigen Schluss, eröffnen aber auch die Möglichkeit eines weiteren Prequels. Wie gesagt: Es ist ein langer Weg zu jenen denkwürdigen finalen Szenen des Films aus dem Jahr 1967. Und wer im neuen Film genau hinschaut, der erkennt: Das Raumschiff von George Taylor ist bereits gestartet!