Die Kinder von Paris

Drama | Frankreich 2010 | 120 Minuten

Regie: Rose Bosch

Im Juli 1942 verhaftet die französische Polizei alle jüdischen Mitbürger und pfercht sie in Paris ins "Vélodrome d'Hiver". Eine französische Krankenschwester und ein jüdischer Arzt versuchen, die Not der Menschen zu lindern, und begleiten sie auf ihrem Weg in die Vernichtungslager. Erzählt aus der Perspektive eines elfjährigen Jungen, dessen Familie in die Mühlen der Ereignisse gerät, räumt das Drama mit dem französischen Mythos auf, ein Volk von Widerstandskämpfern gewesen zu sein. Damit hat der Film in Frankreich die Aufarbeitung des lange tabuisierten Themas angestoßen, bleibt letztlich aber bei aller emotionalen Kraft doch zu sehr an der Oberfläche. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LA RAFLE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Légende Films/Gaumont/Légende des Siècles
Regie
Rose Bosch
Buch
Rose Bosch
Kamera
David Ungaro
Musik
Christian Henson
Schnitt
Yann Malcor
Darsteller
Jean Reno (Dr. David Sheinbaum) · Mélanie Laurent (Annette Monod) · Gad Elmaleh (Schmuel Weismann) · Raphaëlle Agogué (Sura Weismann) · Hugo Leverdez (Jo Weismann)
Länge
120 Minuten
Kinostart
10.02.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die deutsche Fassung ist gegenüber der Originalfassung um etwa fünf Minuten gekürzt. Die Kürzungen beschränken sich bemerkenswerterweise in erster Linie auf Dialogpassagen (Hitler/Himmler) die sich um die Planung der "Endlösung" drehen.

Verleih DVD
Constantin/Highlight (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Constantin/Highlight (16:9, 2.35:1, dts-HDMA dt.)
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Diskussion
Der Titel „Die Kinder von Paris“ erweckt Assoziationen an „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ (fd 36 671) und verspricht emotionsgeladene Familienunterhaltung. Wer ließe sich hierzulande auch von einem Titel ins Kino locken, der auf die Themen Judenverfolgung, Deportation und Kollaboration hinwiese? Für den Franzosen verbirgt sich hinter dem Originaltitel „La Rafle“ (Die Razzia) eine dunkle Episode ihrer jüngeren Vergangenheit: „La grande rafle du Vél d’Hiv“. Am 16. und 17. Juli 1942 verhaftete die französische Polizei 13.152 Juden und pferchte 8160 davon ohne Wasser, Nahrung oder sanitäre Anlagen in die Radsporthalle „Vélodrome d'Hiver“ unweit des Eiffelturms. Unter ihnen waren auch 4115 Kinder, die die deutschen Besatzer „aus logistischen Gründen“ ursprünglich gar nicht in die KZs deportieren wollten. Erst 1995 brach Präsident Jacques Chirac das offizielle Schweigen über „jene schwarzen Stunden“ und bekannte sich zu der Mitschuld Frankreichs an der Judenvernichtung, das sich bis dahin gerne als ein Volk von Widerstandskämpfern präsentiert hatte. Filme wie Louis Malles „Auf Wiedersehen Kinder“ (fd 26 457) oder Gérard Jugnots „Monsieur Batignole“ (fd 37 159) thematisierten zwar die Judenverfolgung in Frankreich, ließen die unrühmliche Rolle der Vichy-Regierung aber weitgehend außen vor. Nur in Joseph Loseys „Monsieur Klein“ (fd 20 914) wird jene berüchtigte Razzia erwähnt, als der irrtümlich für einen Juden gehaltene Titelheld in eben jenem „Vélodrome d‘Hiver“ festgesetzt wird. Die zweite Regiearbeit der Drehbuchautorin Roselyne Bosch, die in Frankreich einen ähnlichen „Aufarbeitungs“-Hype auslöste wie in den 1970er-Jahren hierzulande die „Holocaust“-Serie, beginnt mit Dokumentaraufnahmen der Fahrt Hitlers durch das eroberte und scheinbar menschenleere Paris, dessen Charme Edith Piaf auf der Tonspur besingt. Dann ein Schwenk auf das unterhalb von Sacre Cœur stehende Karussell. Mit der sich ins Bild „schleichenden“ Farbe hält auch das rege Treiben von Montmartre Einzug auf der Leinwand. In der fast dörflichen Atmosphäre des Arrondissements müssen die Juden zwar den diskriminierenden „Stern“ tragen, aber der alltägliche Antisemitismus hält sich noch in Grenzen. Bis auf die Bäckersfrau, die dem 11-jährigen Jo Weismann und seinen Freunden partout nichts verkaufen will, werden die jüdischen Mitbürger von den nicht-jüdischen Nachbarn unterstützt. Die Concierge im Hause von Jos Familie hat sogar ein unverdächtiges Warnsystem entwickelt: Wenn Gefahr im Verzug ist, ruft sie nach ihrer nicht existenten Katze. Doch viele wollen den Gerüchten einer Deportation nicht glauben, bis sie am Morgen des 16. Juli mit der Wirklichkeit konfrontiert werden. Im Radstadion kommt dann als „moralische Instanz“ die Krankenschwester Annette Monod ins Spiel, eine historisch verbürgte Figur. Zusammen mit dem jüdischen Arzt Sheinbaum versucht sie, die Not der Inhaftierten zu lindern; einer jungen Frau verhilft sie sogar zur Flucht. Monod begleitet den Arzt und die Familien auch ins „Zwischenlager“ südlich von Paris und auf ihrer weiteren Reise ins Ungewisse. Bosch erzählt die Geschichte meist aus der Perspektive von Jo, der als einziger später aus dem Lager fliehen kann. Sein reales „Alter Ego“ hat die Autorin beim Drehbuch beraten und eine kleine Rolle im Film übernommen. Jos kindliche Perspektive eröffnet einem jungen Publikum gute Identifikationsmöglichkeiten. Das wirkt manchmal etwas pädagogisierend, so als habe die Inszenierung bereits die Auswertung des Films im Schulunterricht vor Augen gehabt, was insbesondere für die von Arzt und Krankenschwester ausgesandten „Botschaften“ gilt. Glücklicherweise wird diese Didaktik durch das authentische Spiel der jungen Protagonisten aufgefangen, die nicht nur in Verzweiflung verharren müssen, sondern unter diesen hoffnungslosen Umständen ihre Kindheit leben. In den Szenen bis zum Abtransport hat der Film jene dem französischen Kino eigene Leichtigkeit, um den Zuschauern in der Vélodrome-Sequenz geradezu den Atem stocken zu lassen. Mit dem „Auftritt“ einer Feuerwehrbrigade, die gegen den Willen der Bewacher die Wasserleitungen öffnet, setzt der Film ein Zeichen der Menschlichkeit in diesen barbarischen Zeiten, die sich inszenatorisch auch in den kühl-geschäftlich inszenierten Stabsquartier- und Amtsstuben-Szenen widerspiegeln. Dieses Unbegreifliche in Bilder zu fassen, die einerseits schockieren, andererseits aber auch trotz oder gerade durch einen gewissen „Unterhaltungswert“ nachdenklich stimmen, ist das große Verdienst des Films. Zur politischen Aufarbeitung des lange tabuisierten Themas gibt er allerdings nur einen Anstoß.
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