Dioxin in Eiern, Überschwemmungen in Australien, der Zusammenbruch der Finanzmärkte – die Liste der aktuellen globalen Bedrohungen bietet verlässlich Neuzugänge. Wenn sich selbst Regisseure, die für ihren beschwingten Blick auf die Absurditäten des Miteinanders bekannt sind, plötzlich in Wehklagen über den Zustand der Welt ergehen, ist wohl der Zeitpunkt gekommen, den Missständen mit angemessenem Ernst zu begegnen. Coline Serreau, seit den 1980er-Jahren Spezialistin für Humor mit Tiefgang, fiel bisher mit Komödien auf, die auf die Befindlichkeiten ihrer Zeitgenossen fokussierten; auf ihr Konto gehen Beziehungsburlesken wie „Drei Männer und ein Baby“
(fd 25 589) und Zeitgeistsatiren wie „Saint Jacques – Pilgern auf Französisch“
(fd 38 299). Ihr neuer Film macht nun Schluss mit lustig. Die Französin kehrt zu ihren Ursprüngen als Dokumentarfilmerin zurück. Anzeichen für ihren ausgeprägten Hang zur Trübsal fanden sich bereits in weniger erfolgreichen Filmen wie „Die Krise“
(fd 30 145) oder „Chaos“ (2001). In diese Rubrik fiel 1996 wohl auch ihr Outing als Öko-Aktivistin mit dem Dokumentarfilm „Der grüne Planet“. Das neue Aufklärungsmanöver setzt noch einen drauf: Mit „Good Food Bad Food“ stellt sie sich in die lange Reihe marktkritischer Kino-Dokus, die im komplexen Geflecht von Wirtschaft, Politik und Umwelt aufrüttelnde Impulse für ein ökologisches Umdenken bieten wollen.
Vor allem die Ernährungsindustrie erfreut sich nach wegweisenden Filmen wie „We feed the world – Essen global“
(fd 37 595), „Unser täglich Brot“
(fd 37 987) oder „Super Size Me“
(fd 36 576) einer nicht abreißenden Aufmerksamkeit. Coline Serreau verzichtet klugerweise auf eine weitere Bebilderung des skandalösen Notstands und überlässt es ihren Gesprächspartnern, den alltäglichen Wahnsinn der industriell-chemischen Landwirtschaft und das Scheitern der „Grünen Revolution“ in den Entwicklungsländern zur Sprache zu bringen. Die Bilder konzentrieren sich stattdessen auf praktikable Verbesserungsideen, vom sich regenerierenden und die Artenvielfalt respektierenden Boden bis zur effektiveren Nutzung der knappen Ressourcen durch vergessene Saatsorten. Sie würdigen Wanderarbeiter in Brasilien oder Reisbauern in Indien, die dank ihrer organischen Dünger und natürlichen Pflanzenschutzmittel ohne Chemie anbauen und sich so vor der Abhängigkeit von Agrochemie-Konzernen schützen. In die Interviews fließen die weniger autonomen Schicksale konventionell wirtschaftender Bauern ein. Wegen ihrer Schulden für Pestizide und Kunstdünger, die im Wesentlichen aus Erdöl produziert werden, begehen sie regelmäßig massenhaft Selbstmord. Am anderen Ende der Welt zeigt eine ehemalige ukrainische Kolchose, die sich inzwischen zur weltgrößten Bio-Plantage gemausert hat, dass der ökologische Landbau auch im großen Maßstab funktionieren kann. Eine geballte Ladung Fakten und Zahlen wechselt mit einem aufgeweckten Schnitt, der keine Ermüdung aufkommen lässt. Das Ergebnis ist das Mut machende Porträt eines weltweiten Netzes von Initiativen und Bio-Bauern, unterlegt mit Kommentaren von eloquenten Experten und wissenschaftlichen Erklärungen aus dem Off. Auch wenn die Lektionen nicht neu sind und die Lösungsansätze bescheiden ausfallen, lohnt es sich, das eigene Problembewusstsein auf den neuesten Stand zu bringen. Schade nur, dass bei allem Optimismus der Missbrauch des Bio-Booms durch die Lifestyle-Industrie außen vor bleibt.