Rough Aunties

Dokumentarfilm | Großbritannien/Südafrika 2008 | 103 Minuten

Regie: Kim Longinotto

Eindrucksvoller, emotional überwältigender und aufwühlender Dokumentarfilm über die Initiative "Bobbi Bear", einen Zusammenschluss südafrikanischer Frauen, die sich misshandelter und missbrauchter Kinder annehmen. Im Stil des "direct cinema" begleitet er die Protagonisten, beobachtet ihr Tun und ihre Gespräche. Dabei eröffnen sich erschütternde Leidensgeschichten, aber auch hoffnungsvolle Blicke auf Menschen, die mit ihrem Engagement für eine Wendung zum Guten eintreten. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ROUGH AUNTIES
Produktionsland
Großbritannien/Südafrika
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Rise Films/Vixen Films
Regie
Kim Longinotto
Kamera
Kim Longinotto
Schnitt
Oliver Huddleston
Länge
103 Minuten
Kinostart
05.11.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Die beiden Helferinnen von „Bobbi Bear“ lächeln sich an. Es gibt eine gute Nachricht. Der kleine, vielleicht vierjährige Junge, der über einen längeren Zeitraum hinweg vergewaltigt wurde, ist HIV-negativ. Wer sieht, wie erleichtert die beiden Frauen darüber sind, versteht, warum sich die Mitstreiterinnen der Hilfsorganisation, die sich in Durban, Südafrika, um misshandelte und sexuell missbrauchte Kinder kümmert, „Rough Aunties“ nennen. In Kim Longinottos Dokumentarfilm sieht man Jackie Branfield, die Gründerin der „Operation Bobbi Bear“, und ihre Mitarbeiterinnen kaum einmal hadern. Nur selten weinen sie oder wirken deprimiert. Dabei hätten sie allen Grund, an der Realität, mit der sie tagtäglich konfrontiert werden, zu verzweifeln: Kinder, Mädchen und Jungen, die regelmäßig vergewaltigt wurden, von einem Onkel oder vom Großvater. Eine Frau, die einem Mädchen ein Rohr in die Vagina schiebt. Kinder, die brutal geschlagen werden. Und eine Polizei und ein Jugendamt, das diese Kinder immer wieder zu ihren Peinigern zurückschickt. Statt zu verzweifeln, versuchen die „Rough Aunties“, allesamt Frauen, zu helfen. Beispielsweise der Polizei bei der Suche nach den Tätern, indem sie dolmetschen, Angehörige oder Nachbarn befragen. Vor allem aber den Kindern, indem sie ihnen zuhören, Geborgenheit und Sicherheit geben, sie tröstend in den Arm nehmen, ihnen Mut zusprechen, helfen, das Schweigen zu durchbrechen. Zu Beginn sieht man ein kleines Mädchen, dem es schwer fällt, das, was ihm widerfuhr, zu erzählen. Also klebt es an einem großen Teddybär Pflaster an die Stellen, an denen es vergewaltigt wurde. Es tut weh, dem Mädchen dabei zuzusehen, aber es macht auch Mut, weil jemand da ist, der sich die Zeit dafür nimmt. Das, so scheint es, ist das größte Verdienst der „Rough Aunties“: Sie machen Mut. Den gequälten kleinen Seelen, die sie vorübergehend bei sich aufnehmen, um sie möglichst an liebevolle Pflegefamilien zu vermitteln, aber auch sich selbst. Viele der Frauen von „Bobbi Bear“ haben selbst als Kinder Gewalt erfahren, waren Opfer von Missbrauch und Misshandlungen. In „Bobbi Bear“ haben einige von ihnen eine Ersatzfamilie gefunden, in der die Hautfarbe keine Rolle spielt. Auch das klingt ermutigend. Die britische Filmemacherin Longinotto begleitete die Helferinnen zehn Wochen lang bei ihrer Arbeit. Das, was sie in dieser recht kurzen Zeit an Leid, Schmerz, Gewalt, Ignoranz, aber auch an Liebe, Solidarität und zarter Hoffnung dokumentierte, hätte für mehrere Filme gereicht. Jedes Kind bringt seine eigene grausame Geschichte mit sich, der „Bobbi Bear“ eine Wende zum Guten zu geben versucht. Das kann nicht immer gelingen. Während der Dreharbeiten wird beim Bruder einer der Aunties eingebrochen. Der Bruder stellt die Einbrecher, es kommt zu einer Schießerei. Seine kleine Tochter erzählt später, dass einer der Einbrecher auf den am Boden liegenden Vater schoss. Die Mutter warf sich auf den Schützen, der die Waffe dann auch auf sie richtete und abdrückte, aber das Magazin war leer. „Deine Mutter hat mit ihm gekämpft“, sagt Jackie bewundernd. Dabei lächelt das kleine Mädchen, dessen Vater in einer nur notdürftig ausgestatteten Klinik im Sterben liegt. Eine andere Helferin von „Bobbi Bear“ verliert ihren Sohn. Er ertrinkt, als er einen Fluss durchqueren will. Im flachen Übergang lauerte ein tödliches Loch, weil eine Firma dort illegal das Flussbett ausgegraben hatte. Bei so viel Tod und Tragik tut es gut, dass der Film mit einem Hoffnungsschimmer endet, als Jackie und ihr Mann sich entschließen, ein misshandeltes Mädchen bei sich aufzunehmen. Angesichts all dieser Schicksale wundert es nicht, dass „Rough Aunties“ ein emotional überwältigender, aufwühlender Dokumentarfilm geworden ist. Was hingegen verwundert, ist, wie nah das Kamerateam die Arbeit von „Bobbi Bear“ begleiten durfte. Im Stil des „direct cinema“ bewegt sich die Handkamera, als gehöre sie zum Team. Für inszenierte Eitelkeiten scheint in diesem harten südafrikanischen Alltag kein Platz. Statt Interviews zu führen, hört Longinotto bei den Gesprächen der Frauen zu. Statt in die Kamera blicken die Protagonisten an ihr vorbei, als wäre sie unsichtbar. Es mag eine Illusion sein, dass man im Dokumentarfilm unverstelltes Leben aufzeichnen kann. Longinotto aber hält sie mit „Rough Aunties“ auf eindrucksvolle Weise aufrecht. „Rough Aunties“ tourt im Rahmen des Festivals „überMut“ durch die Kinos. Im Intenet: www.diegesellschafter.de
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