Soeur Sourire - Die singende Nonne

Biopic | Frankreich/Belgien 2008/09 | 119 Minuten

Regie: Stijn Coninx

Ende der 1950er-Jahre wurde die Nonne Jeanine Deckers unter dem Künstlernamen Soeur Sourire bekannt und erlangte 1963 mit dem Lied "Dominique" Weltruhm. Das Biopic erzählt die Geschichte der rebellischen singenden Dominikanerin, die nach einer tiefen Glaubenskrise den Orden verließ und durch ihre lesbische Lebensweise Aufsehen erregte. 1985 schied sie mit ihrer Lebensgefährtin aus dem Leben. Ein bewegendes, routiniert inszeniertes Porträt einer zerrissenen Persönlichkeit, das von der überzeugenden Hauptdarstellerin getragen wird; differenziert in der Behandlung der Kirche und ihrer Amtsträger, bemüht sich der Film im Gegensatz zu Henry Kosters Hollywood-Version des Stoffs ("Die singende Nonne", 1966) um ein realistisches Bild. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SOEUR SOURIRE
Produktionsland
Frankreich/Belgien
Produktionsjahr
2008/09
Produktionsfirma
Paradis/Les Films de la Passerelle/Eyeworks/Kunst en Kino
Regie
Stijn Coninx
Buch
Stijn Coninx · Ariane Fert · Chris Vander Stappen
Kamera
Yves Vandermeeren
Musik
Bruno Fontaine
Schnitt
Philippe Ravoet
Darsteller
Cécile de France (Jeanine Deckers) · Sandrine Blancke (Annie) · Chris Lomme (Mutter Oberin) · Marie Kremer (Françoise) · Jo Deseure (Gabrielle Deckers)
Länge
119 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic | Künstlerporträt | Musikfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD2.0 frz./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Die Geschichte der singenden Dominikanerin, die in den 1960er-Jahren als „Soeur Sourire“ oder „The Singing Nun“ mit dem Ohrwurm „Dominique“ einen Welthit landete, war schon 1965 Gegenstand des Hollywoodfilms „Dominique – die singende Nonne“ mit Debbie Reynolds in der Hauptrolle. Diesem Nonnen-Musikfilm von „überzuckerter Sentimentalität“ (fd 14 212) stellt der belgische Regisseur Stijn Coninx („Daens“, fd 30 963) eine realitätsnähere Version der Biografie von Jeannine Deckers (1933-1985) gegenüber. Jeannine ist die Tochter einer Bäckerfamilie, die vor allem eines sucht: Freiheit. Die Flucht aus der Enge des Elternhauses, in dem die Mutter ein strenges Regiment führt, scheint ihr mit dem Eintritt in das Dominikanerinnenkloster Fischermont möglich. Dort wird die lebenslustige Novizin, die selbst komponierte Lieder zur Gitarre singt, vom katholischen Rundfunk entdeckt. Eine Plattenaufnahme des Liedes über den Ordensgründer, „Dominique“, wird weltweit verkauft. Mit der Musik glaubt Schwester Luc Gabriel ihre Bestimmung gefunden zu haben. Aber es kommt zum Bruch mit dem Orden; Jeannine legt die Schwesterntracht ab und zieht mit ihrer Jugendfreundin Annie zusammen. Als eine Art katholischer Joan Baez versucht sie eine Karriere als Chansonsängerin, aber die Probleme häufen sich: Sie kann nicht mehr als „Soeur Sourire“ auftreten, da die Namensrechte beim Orden liegen, die Plattenfirma sieht auch keinen Markt mehr und eine Tournee in Kanada wird zum Desaster, weil sich Jeannine mit einem Loblied auf die Anti-Baby-Pille den Zorn der Kirche zuzieht. Geschlagen kehrt sie am Ende zu Annie zurück, nur um den nächsten Schicksalsschlag zu erhalten: Das Finanzamt verlangt Nachzahlungen für Tantiemen, die aber nicht an sie persönlich, sondern an den Orden gegangen sind, was sie nicht belegen kann. Der finanzielle Ruin ist Auslöser dafür, dass sie gemeinsam mit ihrer Freundin Selbstmord begeht. Coninx erzählt eine Emanzipationsgeschichte über eine Frau, die in den Kontext des II. Vatikanischen Konzils und der propagierten Öffnung der Kirche zur Welt hin bezogen wird. Schwester Luc Gabriel will mit ihren Liedern neue Wege der Verkündigung gehen. Sie singt aber auch für Freiheit und Frauenemanzipation. Das Lied, in dem sie Gott für die Anti-Baby-Pille dankt, entsteht schon im Kloster, auch wenn sie es erst nach ihrem Austritt öffentlich vorträgt. Zwar wird deutlich, dass sie mit ihrem unkonventionellen Auftreten und ihrem Freiheitsdrang in der Kirche an Grenzen stößt, aber der Regisseur vermeidet jede billige Kirchenkritik. Das Aufeinanderprallen von strengem Ordensreglement und unbekümmerter Lebenslust der Novizin wird mit Humor gezeichnet. Die Oberin kann ebenso streng wie auch nachgiebig sein, und der Pfarrer der Heimatgemeinde stärkt Jeannine den Rücken. Die Beziehung zur Jugendfreundin Annie wird als fast platonisch dargestellt, es gibt bis zum Ende nicht einmal einen Kuss, den die beiden austauschen. Jeannine weist die erotischen Avancen von Annie sogar zweimal brüsk zurück. Eine unbekümmerte Gelöstheit und intensive Nähe erreicht die Beziehung erst, als sich die beiden für den gemeinsamen Selbstmord entschlossen haben. Hier weicht der Film am stärksten von der Realität ab: Die Film-Jeannine ist noch sehr jung, vielleicht Mitte 30, während das reale Vorbild erst mit 52 Jahren starb. Die Inszenierung ist eher bieder, punktet aber durch eine überzeugende Hauptdarstellerin, die ihre Hollywood-Vorgängerin in den Schatten stellt.
Kommentar verfassen

Kommentieren