Im Science-Fiction-Kino gibt es in den unendlichen Weiten des Weltalls einerseits fremde Welten und exotische Zivilisationen zu entdecken. Andererseits werden einsame Astronauten in der hermetischen Abgeschiedenheit ihrer Raumstationen regelmäßig auf sich selbst zurück geworfen; sie sehen den Realitätsgehalt ihrer Wahrnehmungen und Erinnerungen und letztlich sich selbst in Frage gestellt. Das berühmteste Beispiel für ein solches Schicksal bietet wohl „Solaris“
(fd 20 140), und es ist nicht zu übersehen, dass „Moon“ an dieses Vorbild – neben etlichen anderen – bewusst anknüpft.
Wie die Hauptfigur von Andrej Tarkowskijs Klassiker (und Steven Soderberghs Remake, fd 35 838) wird Sam Bell, der Protagonist dieses futuristischen Kammerspiels, kurz vor Ende seine dreijährige Dienstzeit als einziger Angestellter eines sonst vollautomatisierten Tagebaus auf dem Mond, plötzlich von Visionen heimgesucht. Dieser Umstand führt auch zu einem Unfall, als Sam auf der Mondoberfläche unterwegs ist, um einen der riesigen Bagger zu reparieren, mit denen „Helium 3“, die saubere Energiequelle der Zukunft, abgebaut wird. Als Sam später auf der Mondstation wieder zu sich kommt, beginnt er gegen die bevormundende Fürsorge des Bordcomputers „Gerty“ zu meutern, dessen teilnahmslos freundliche (im Original von Kevin Spacey gesprochene) Stimme gewiss nicht zufällig ein anderes großes Genrevorbild, Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“
(fd 15 732), in Erinnerung ruft. Trotz des Verbots der Firmenzentrale auf der Erde macht Sam sich nochmals auf den Weg zum Bagger, wo er auf das Unfallfahrzeug stößt, in dem er zur eigenen Überraschung sich selbst – oder einen Doppelgänger oder was auch immer – bewusstlos über das Steuer gebeugt vorfindet. Diesen anderen, identischen Sam schleppt er zurück zur Station, wo die äußerlich ununterscheidbaren, aber im Temperament gegensätzlichen Sams ihrer befremdlichen Lage auf den Grund gehen. Das wiederum erinnert an zahlreiche Science-Fiction-Filme vornehmlich der 1980er- und 1990er-Jahre, in denen die Protagonisten ihre Identität in Frage gestellt sahen. Doch die referenzielle Assoziationskette, die in „Moon“ kaum abreißt, erscheint seltsam passend, denn die Frage der Originalität wird schließlich zum Thema des Films.
Duncan Jones, der zu diesem Spielfilmdebüt auch die Drehbuchidee hatte, findet vor allem in der ersten Hälfte einen sehr ruhigen Rhythmus, der ganz dezent den Verlust des Zeitgefühls suggeriert, den die einsame Astronautenexistenz bewirkt. Wiederholte Handlungsabläufe werfen außerdem subtil die Frage auf, ob die Szenen tatsächlich so linear und kausal aufeinander aufbauen, wie dies den Anschein hat. Sam Rockwell gelingt es derweil, vor allem in der ersten Inkarnation seiner Figur, die Mischung aus Gereiztheit und Gelassenheit zu treffen, die langjährige Isolation im All wohl hervorrufen müsste. Dabei leistet sich Jones weder die formalen Extravaganzen eines Tarkowskij oder Kubrick, noch teilt sein Film den Anspruch von „Solaris“ oder „2001“ auf Tiefsinn. Der kleine britische Genrefilm zeichnet sich stattdessen durch eine für ein Debüt überraschend souveräne Professionalität aus. Der 39-jährige Regisseur, der ein Sohn David Bowies und bislang vor allem durch eine kontroverse Werbekampagne für eine Modefirma aufgefallen ist, ließ in einem britischen Studio die komplette Mondstation bauen und benutzte sowohl altmodische Modelle als auch Computeranimation, um die „Außenaufnahmen“ zu simulieren. Bei Produktionskosten von etwa fünf Mio. Dollar lässt sich erahnen, wie ökonomisch die bescheidenen Mittel eingesetzt wurden. Deshalb ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis man Jones in Hollywood mit einem wesentlich größeren Budget betrauen wird.