Um seiner Freundin den Wunsch einer kostspieligen Zahnkorrektur bezahlen zu können, rutscht ein Teenager ins Stricher-Milieu ab. Das Drama um die soziale und sexuelle Verwahrlosung Jugendlicher im deutsch-polnischen Grenzbereich beeindruckt durch die Härte und Kompromisslosigkeit, mit der die "Karriere" der Hauptfigur gezeichnet wird. Dabei bleibt jedoch die Darstellung der Lebensverhältnisse holzschnittartig, die Entwicklung der Figuren gar psychologisch unglaubwürdig.
Ich, Tomek
- | Polen/Deutschland 2008/09 | 100 Minuten
Regie: Robert Glinski
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Filmdaten
- Originaltitel
- SWINKI
- Produktionsland
- Polen/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2008/09
- Produktionsfirma
- Widark SP.zoo/42film
- Regie
- Robert Glinski
- Buch
- Joanna Didik · Robert Glinski
- Kamera
- Petro Aleksowski
- Musik
- Cornelius Renz
- Schnitt
- Krzysztof Szpetmanski
- Darsteller
- Filip Garbacz (Tomek) · Ania Kulej (Maria) · Daniel Furmaniak (Ciemny) · Rolf Hoppe (Herr Weber) · Heiko Raulin (Max)
- Länge
- 100 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16 (DVD)
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Man kann von buchstäblichen Fliehkräften sprechen, die in der kleinen Stadt an der deutsch-polnischen Grenze wirksam sind. Das Versprechen auf westlichen Luxus wirkt magnetisch auf die Jugendlichen von Gubin. Sie leben in Wohnungen, die ebenso beengt sind wie die Familienverhältnisse, und sie träumen vom Weggehen, von goldenen Sneakers und Verneers, Keramikverblendungen, die sie sich bei den makellosen Zähnen der Hollywood-Stars abgeguckt haben. Der 15-jährige Tomek wirkt anfangs noch unberührt von den Verführungen des Kapitalismus, doch auch er träumt sich „weg“. Zusammen mit anderen Jugendlichen und dem ehemaligen Deutschlehrer will er ein Observatorium errichten, ein Teleskop soll daher angeschafft werden. Doch das Geld ist nicht aufzutreiben, und der ökonomische Druck auf Tomek wächst, als er sich in die gleichaltrige Marta verliebt. Marta ist naiv und süß, aber sie ist auch berechnend. Selbstverständlich soll Tomek für ihre kostspielige Zahnoperation aufkommen, auf die sie völlig fixiert ist. Als Kontrastfolie zu Tomeks argloser Welt aus Fußball, Astronomie und Kirchenfreizeit etabliert der Film schon früh das Milieu der jugendlichen Stricher, und es ist absehbar, dass auch Tomek dort landen wird.
Robert Glinski zeichnet das Bild einer desolaten Jugend, die sich für die Teilhabe an ein bisschen Wohlstand bereitwillig verkauft und in der sexuellen Verwahrlosung endet. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind ganz auf die Ökonomie des Tauschs ausgerichtet, umsonst gibt es hier nichts, weder Sex noch Zuneigung. Besonders subtil geht der polnische Regisseur bei der Darstellung ökonomischer Zwänge nicht vor, unaufhörlich müssen sie demonstriert und verbalisiert werden. „Ich, Tomek“ suggeriert, dass die perspektivlosen Lebensverhältnisse an der Grenze unweigerlich auf den Verkauf des Körpers und der Seele hinauslaufen, auch Marta endet am Schluss in der Prostitution. „Sie hält ihren Arsch hin wie du“, sagt Ciemny nüchtern, Tomeks älterer Freund, der ebenfalls als Stricher arbeitet. Trotz seiner Präsenz bleibt das Strichermilieu seltsam ungreifbar, distanziert; die Motive, mit deren Hilfe es dargestellt wird, sind eher holzschnittartig: dicke Autos, sadistische Kunden, der Austausch von Geldscheinen. Deutlich komplexer gerät die Schilderung der Handlungsorte, deren Begrenztheit den verengten Horizont der Jugendlichen erst richtig spürbar macht. So ist etwa die Diskothek „Zodiak“ der Ort, an dem sich jugendliche Unschuld und ökonomisches Kalkül treffen. Hier wird harmlos Händchen gehalten und geflirtet, gleichzeitig fungiert das „Zodiak“ auch als Marktplatz für sexuelle Transaktionen, wobei die Grenze zwischen beiden Welten gefährlich fragil ist. Der zweite Schauplatz ist die Grenze selbst. Der Film spielt im Jahr 2000, als mit dem Inkrafttreten des Schengen-Abkommens die Grenzkontrollen wegfallen. Der Sextourismus floriert nun völlig ungehindert, die ehemals bewachten Grenzstationen sind zu verwaisten Orten geworden, an denen Zuhälter rücksichtslos ihre „Ware“ verschachern. Robert Glinski hat sich eines brisanten Gegenwartsstoffs angenommen, doch ein wenig hat er sich dabei an der Härte des Themas verhoben. Er will nichts beschönigen, verpflichtet sich einem realistischen, mitunter fast dokumentarischen Stil, doch zum Kern der Figuren dringt er nicht vor – trotz seines zweifellos eindrucksvollen Hauptdarstellers. Die brutale Vergewaltigung durch einen Kunden macht Tomek nicht kaputt, sie lässt ihn im Gegenteil vom naiven Stricher, der seiner Freundin ein bisschen Luxus bieten möchte, zum berechnenden Zuhälter „aufsteigen“. Glinskis Kompromisslosigkeit ist einem versöhnlichen Gestus sicherlich vorzuziehen, doch sie erfolgt auf Kosten der Glaubwürdigkeit seiner Figuren.
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