Dokumentarfilm, der den Sprach- und Verhaltensgestus von Menschen während beruflicher Besprechungen, bei Konferenzen oder "Meetings" seziert. In ruhigen Einstellungen begibt er sich in die Welt der Büros und beobachtet die Interaktion zwischen den Arbeitenden. Daraus resultiert ein beklemmendes Bild der Formel- und Phrasenhaftigkeit, die den Umgang dominiert. Trotz verfremdender inszenatorischer Einschübe macht die quälende Banalität des Sujets den Film zu einem erkenntnisreichen, gleichwohl auch durchaus mühevollen und erschöpfenden Erlebnis.
- Ab 14.
Besprechung
Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 83 Minuten
Regie: Stefan Landorf
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- if... Prod.
- Regie
- Stefan Landorf
- Buch
- Stefan Landorf
- Kamera
- Christof Oefelein
- Schnitt
- Stefan Landorf
- Länge
- 83 Minuten
- Kinostart
- 09.06.2011
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Sie gehört zum Büroleben wie das Telefon, der Computer, die Kaffeemaschine: Ob im transkontinentalen Trust, in der Streetworker-Stadtteilgruppe oder im Sportverein – erst die Besprechung macht ein Team zum Team. Ohne sie sind alle einzeln. Diesen sozialen Mörtel untersucht Stefan Landorf in seinem sinnigerweise „Besprechung“ betitelten Dokumentarfilm. Von Beginn an wird klar: Landorf will nicht nur zeigen, sondern entlarven. Der ausgebildete Mediziner Landorf seziert Phrasen, Rituale und Formeln, er enthüllt, wie Körpersprache, Dress-Code, Wortschatz und Intonation Macht oder Ohnmacht demonstrieren. Bei Managern und Soldaten, Justizbeamten, Lehrern, Entwicklungshelfern und Medizinern fördert er aussagestarkes Material zutage. Sätze wie „Richtig loben tue ich erst, wenn die Veranstaltung durch ist“, Appelle wie „Ich denke, wir sollten im Team darüber diskutieren“ offenbaren, dass Sprache auch soziale Ordnungen konstruiert und verfestigt. „Ansonsten so daily business die Woche.“ Wer so spricht, behauptet mehr als er sagt. Anglizismen, Fremdwörter, Floskeln bestimmen diese Funktionssprache, wo immer Leute zusammenkommen, um ihre Arbeit zu planen und zu koordinieren, um Schritte auszuwerten, Ziele zu entwerfen. „Wir müssen in die Fläche streuen.“ So trist kann Arbeit sein.
Der Film sucht seine Konferenzteilnehmer in den typischen Räumen auf: Tische und Stühle, Monitore, Tafeln, Flipcharts prägen das Milieu. Man sitzt beieinander, mal enger, mal ferner, man redet, berichtet, hört zu, diskutiert, weist an, resümiert: „Ich habe keinen ultimativen need, Kosten zu sparen.“ Die filmischen Mittel sind so einfach wie wirksam: lange Einstellungen, langsame Schwenks, Close-ups auf Hände mit Kugelschreibern, Gesichter, Unterlagen. Auf einem Flyer steht „We create emotions.“ Alles funktional, alles nüchtern. Auch wenn die Kamera die Büroarchitektur mit ihren leeren Fluren und Meeting-Räumen erkundet, folgt sie dem Gebot der Langsamkeit. Gedehnte Totalen, Detailblicke auf Stuhllehnen, Tischplatten, Getränkeflaschen oder Gläser betonen: Die Welt der Besprechungen ist artifiziell. Der Ton vervollständigt das Bild: rauschende Klimaanlagen, summende Kopierer, leises Stimmengemurmel im Hintergrund. In dieser überdeutlich präsentierten Szenerie treten sie auf, Manager und Sozialarbeiter, Soldaten und Offiziere, Lehrer und Teamer. Und dann reden sie, was sie reden, jonglieren mit „Mantelkauf“ und „Festeinbauten“, mit „Monitoring auf allen Ebenen“ und dem obligatorischen Briefing. Wo besprochen wird, wird geschwafelt, lautet Landorfs Botschaft. Das ist nicht neu, aber immerhin drastisch.
Doch „Besprechung“ begnügt sich nicht damit, das Material aufzudecken und zu analysieren. Auf zwei Ebenen öffnet der Film die dokumentarische Sicht für inszenatorische Momente. Zum einen wiederholen einzelne Protagonisten ausgewählte Sätze aus den Meetings in die Kamera; dabei sitzen sie allein in ihren Büros. Der Effekt der Szenen ist deutlich: Sie lösen Person und Sprache aus dem Zusammenhang. In der Vereinzelung ausgestellt, gerinnen die Floskeln zu Slogans, zu quasi-poetischen Formeln der Leere. Der zweite, ebenfalls verfremdende inszenatorische Eingriff geht einen Schritt weiter. Für ihn stützt sich Landorf auf junge Schauspieler in Freizeitkleidung. In immer wiederkehrenden Szenen schieben sie farbige Wandelemente, an Deckenschienen aufgehängte flexible Raumteiler, durch einen Konferenzraum. Dabei sprechen sie die zuvor ausgestellten Einzelsätze vor sich hin. So unterbrechen und strukturieren sie die Filmerzählung, schaffen Distanz, ironisieren das Gesprochene: „Bitte, denken sie unbedingt daran, Ihre Lebensläufe upzudaten.“ Am Ende spielen sie gemeinsam eine Konferenzsituation nach – mit dem Sprachmaterial, das sie zuvor vorgeführt haben. Für sie ist das erheiternd. Allerdings nur für sie. Wer die 83-minütige „Besprechung“ absolviert, ist schlicht erschöpft. Schlechte Sprache kann wehtun, und sie schmerzt umso mehr, wenn sie wiederholt und gedehnt wird. Landorf muss das geahnt haben, als er die Schauspieler engagierte. Vielleicht erwartete er sich von seinen verfremdenden und persiflierenden Eingriffen entlastende Effekte, doch der demonstrative Kunstwille rettet den Film nicht. Wo weniger mehr wäre, ist zu viel des Gleichen quälend. Und wo Esprit fehlt, macht Erkenntnis nicht froh, sondern bloß müde
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