Vier unmögliche Liebesfälle zwischen Kurden und Türken, Religiösen und Säkularen, Christen und Moslems sowie schwulen Türken und Deutschen im multikulturellen Berlin. Eine augenzwinkernde, mit Wortwitz und Situationskomik inszenierte Komödie, temporeich und mit einem Hauch von "Lubitsch-Touch" inszeniert. Ohne pädagogisch in den Vordergrund geschobene Toleranzbotschaften appelliert die Komödie selbstironisch an die interkulturelle Alltagskompetenz seines Zielpublikums. (Teils türk.m.d.U.)
- Ab 14.
Evet, ich will!
Komödie | Deutschland 2008 | 94 Minuten
Regie: Sinan Akkus
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- Luna-Film/Cinemendo
- Regie
- Sinan Akkus
- Buch
- Sinan Akkus
- Kamera
- Peter Nix
- Musik
- Ali N. Askin
- Schnitt
- Renata Salazar Ivancan
- Darsteller
- Pinar Erincin (Nursel) · Mickey Hardt (Tim) · Oliver Korittke (Dirk Heidenreich) · Tim Seyfi (Coskun) · Eralp Uzun (Emrah)
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Komödie
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
Netter geht’s besser: In den letzten Jahren mischten Multikulti-Komödien wie „Kebab Connection“ (fd 37 013) oder Fernsehfilme wie „Meine verrückte türkische Hochzeit“ (2005) das deutsch-türkische Verhältnis auf. An Originalschauplätzen im Hamburger Schanzenviertel oder in Berlin-Kreuzberg gerieten sämtliche Klischees unter die Räder – und die innerdeutschen Verhältnisse zwischen Deutschen, Türken, Kurden und Griechen, Religiösen und Säkularen auf den Prüfstand. Politisch oft inkorrekt, dafür aber kiez-echt. Ein Großteil dieser Stoffe wurde im Umfeld der Hamburger Filmszene um die Wüste-Filmproduktion und Fatih Akin entwickelt. Mit „Evet, ich will“ von Sinan Akkus präsentiert nun ein weiterer Hamburger seinen ersten Langspielfilm – und adelt das junge Genre der deutsch-türkischen Ethno-Komödie mit ein wenig Lubitsch-Touch. Die Story lebt von der Liebe, von Gegensätzen und unerwarteten Konstellationen: Der schwule Automechaniker Emrah will seinen deutschen Freund heiraten; der Radiomoderator Coskun, Sohn einer streng religiösen kurdischen Familie, hält um die Hand seiner Kollegin Günay an, die bei ihrem sozialistisch geprägten türkischen Vater lebt; Dirk und Özlem wollen Özlems Eltern ihre Liebe gestehen, wozu Dirks Bereitschaft, zum Islam zu konvertieren, erforderlich ist; Salih, erst vor kurzem in Deutschland angekommen, sucht eine Frau mit deutschem Pass, um EU-Mitglied werden zu können. Der Haken bei all dem ist, dass in allen Fällen grantelnde, sturköpfige Väter – und manchmal auch Mütter – überzeugt werden müssen.
Akkus wurde mit der Kurzfilmklamotte „Lassie“ (2002) bekannt, in der drei Vorstadtganoven in Werbeaufnahmen für eine zweitklassige Dönerbude platzen. Sein komödiantisches Talent verfeinerte er bei der Fernsehserie „Stromberg“, einer Sitcom, in der er den ehrgeizigen türkischstämmigen Kollegen – und damit Konkurrenten – eines grundlos von sich selbst überzeugten deutschen Versicherungskaufmanns spielt. Jetzt transferiert Akkus beides nach Berlin: die Hamburger Schnauze und den Feinschliff aus den Absurditäten des Büroalltags. „Evet, ich will!“ steckt voller liebevoller Typenzeichnungen und situationskomischer Details – von Dirks unentschlossen agierendem Gutmenschen-Vater bis zum interkulturell sensiblen Streifenpolizisten, der sich zur Festnahme eines Verdächtigen in einer muslimischen Wohnung sogar die Stiefel abstreift. Der Film verwurstet Alltagssituationen und Vorurteile; Akkus lässt kaum einen doppelten Boden aus, wenn er seine ironischen Pirouetten treffsicher ans Publikum weitergibt. Das kann sich im Stoff selbst wiederfinden – mal in deftigen Zoten, meist aber in den verklemmten Situationen des Besonderen im Alltag: des Verhältnisses zu den Eltern eben, und das ist, türkisch wie kurdisch wie deutsch, nun einmal schwierig, vor allem, wenn es darum geht, Familientraditionen zu brechen – seien sie religiös, säkular oder bildungsbürgerlich-linksliberal. Immerhin bleibt ein Stück Restwärme in der reichlich ortlosen 1970er-Jahre-Genossenschaftssiedlung erhalten, in der der Film angesiedelt ist – statt in Dönerläden und unter meterhohen Stuckdecken spielen sich die Konflikte in mit Plüsch und Plunder vollgestopften Altneubauzimmern ab. Wie im richtigen Leben, ohne szenigen Berlin-Mythos, aber doch mitten in der Mentalität dieser Stadt, irgendwo zwischen Toleranz, Desinteresse und dem Wunsch, dass die Kinder eben doch so werden wie die Eltern.
Die Handlungsstränge entwickeln sich parallel auf ihr jeweiliges Ende zu – ein ambitioniertes episodisches Konzept, das Akkus mit Wortwitz und Talent für die Screwball-Komödie souverän in den Griff bekommt. Das ist am Ende weniger harmlos als es klingt, denn die Fettnäpfchen, zu denen Akkus seine Protagonisten jongliert und in die sie dann öfters doch nicht treten, sind im Detail hochpolitisch. Augenzwinkernd versucht „Evet, ich will!“, die interkulturelle Alltagskompetenz seines Zielpublikums wach zu küssen. Ohne auch nur ein einziges Mal den politisch korrekten Zeigefinger zu heben, steht hier nicht nur das kleine Glück an erster Stelle, sondern auch das soziale Austarieren parallelgesellschaftlicher Erbmassen.
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