Dokumentarisches Porträt der ehemaligen Boxweltmeisterin Regina Halmich, die mehr als zwölf Jahre lang das Frauenboxen weltweit dominierte und 2007 ihre letzten Titelkämpfe bestritt. Spannend und aufmerksam, getragen von deutlich spürbarem Respekt und Sympathie für die Porträtierte, entfaltet der Film das facettenreiche Bild einer Erfolgsfrau zwischen behütendem bürgerlichem Elternhaus und zunehmend öffentlicher werdendem Beruf, wobei er auch den medialen Wandel von anfänglichem Desinteresse zum "Hype" als Fernseh- und Medien-Star herausarbeitet.
- Sehenswert ab 14.
Königin im Ring
Sportfilm | Deutschland 2008 | 90 Minuten
Regie: Simone Jung
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- jungwiehagen film/ZDF/arte
- Regie
- Simone Jung
- Buch
- Simone Jung
- Kamera
- Kai Wiehagen
- Musik
- Frank Moesner
- Schnitt
- Joachim Wölcken
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- 03.06.2010
- Fsk
- ab 6 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Sportfilm | Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Eine junge Frau lässt sich die Haare frisieren – sie lässt sich „schön machen“. Es ist eine ruhige, konzentrierte Aktion, die man verfolgt, ohne genau zu erkennen, wo und unter welchen Umständen sie sich abspielt. Dann drängen sich, brachial wie Donnerschläge, diametral entgegengesetzte Bilder in die Szene: Dieselbe junge Frau im Mittelpunkt martialischer Sportszenen, verschwitzt, abgekämpft, voller Blessuren und Wunden. Das „schöne“ Geschlecht und der „hässliche“ Kampfsport: Ebenso (im guten Sinne) plakativ wie spannungsreich führt Simone Jung gleich zu Beginn zwei Gesichter der „Boxkönigin“ Regina Halmich vor Augen, die für die Öffentlichkeit lange Zeit nicht zusammen gehen wollten. Während Frauen in als „ästhetisch“ sanktionierten Sportarten wie Gymnastik, Skifahren, Schwimmen oder Leichtathletik längst Alltag sind, galten „harte“ Kampfsportarten wie Frauenfußball oder eben und besonders der Frauen-Boxsport lange als verpönt, man reagierte ablehnend, sogar empört. Da wurden Frauen dann doch wieder ganz schnell als schwach und schutzbedürftig stigmatisiert, wurde ihnen ein Platz im Boxring allenfalls als erotisches, schlicht lächelndes Ringrunden-Nummerngirl zugestanden. Erst mit Regina Halmich wurde manches anders: Die 1976 in Karlsruhe geborene Boxsportlerin arbeitete trotz Rückschlägen und Enttäuschungen ebenso konsequent wie selbstbewusst an ihrer Karriere, bis sie schließlich mehr als zwölf Jahre lang das Frauenboxen weltweit dominierte – als ungeschlagene Weltmeisterin im Fliegengewicht.
Ihre letzten beiden Titelkämpfe fanden im Jahr 2007 statt und dienen nun als Rahmen in Simone Jungs Dokumentation, die vieles zugleich ist: das einfühlsame, aufmerksame Porträt einer Erfolgsfrau zwischen behütendem bürgerlichem Elternhaus und zunehmend öffentlicher werdendem Beruf; eine spannende „Zeitreise“, die mit vielen öffentlichen wie auch privaten Bilddokumenten Regina Halmichs Aufstieg vom jungen Kickbox-Talent zum Welt-Box-Star nachzeichnet; schließlich auch ein Stück filmischer Sozial-, Kultur- und Mediengeschichte, das detailreich den medialen Wandel von anfänglichem Desinteresse über Häme und Anfeindungen bis zum positiven „Hype“ als Fernseh- und Medien-Star herausarbeitet.
Regina Halmich kämpfte sich mit harten Bandagen nach oben, ohne dabei je ihre „Bodenhaftung“, ihre Verwurzelung in der Heimat und die Nähe zu ihrer Familie zu verlieren. Vielsagend, liebenswert und zugleich amüsant ist da jene Szene, in der die Kamera eine „traditionelle“ nächtliche Autofahrt der Eltern Halmich begleitet, die aus Sorge und Angst um ihre Tochter keinen Live-Kampf am heimischen Fernsehgerät verfolgen mögen und stattdessen lieber durchs nächtliche Karlsruhe fahren – wobei ihnen, ausgerechnet an einer roten Ampel, dann doch aus einem Schaufenster die gerne vermiedene Fernsehübertragung entgegen flimmert. Solche unausweichliche Medienpräsenz geht in der Karriere Regina Halmichs weit über den Sport hinaus und löst sich phasenweise von der Wahrnehmung und dem Respekt vor ihrer körperlichen wie mentalen Höchstleistung regelrecht ab. Bezeichnenderweise war es dabei zunächst nicht das öffentlich-rechtliche (Sport-)Fernsehen, das Regina Halmich „für sich“ entdeckte, sondern der raffiniert vermarktete Show-Kampf gegen TV-Entertainer Stefan Raab, der sie zum öffentlichen Star machte – und ihr weite Anerkennung einbrachte. „Gute Quote, man funktioniert, dann hat man sogar auch eine Stimme“, erkennt Regina Halmich an einer Stelle ihrer vielen Selbstaussagen gänzlich unromantisch. Spannend und unterhaltsam, dabei auch ohne Berührungsängste gegenüber gut dosierter Dramatik, Emotionalität und Pathos erzählt Sabine Jung von der Begeisterungsfähigkeit und Selbstbehauptung einer temperamentvollen, selbstbewussten jungen Sportlerin. Dass diese am Ende ihrer Karriere aus dem ganzen Zirkus zwar mit mancher Narbe, aber offensichtlich ohne seelische Blessuren hervorgeht, das ist fast schon ein kleines Wunder – und eine Stärke, die Regina Halmich vielleicht endgültig zur „Königin im Ring“ macht.
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