- | Deutschland 2009 | 75 Minuten

Regie: Jan Krüger

Ein junges homosexuelles Liebespaar genießt den Sommer und die Natur in der Wälder- und Seenlandschaft Brandenburgs. Der Zwang, etwas Essbares aufzutreiben, führt die beiden verliebten Männer zu einem Hof und der Begegnung mit anderen Menschen. Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die von Anfang an die "Vertreibung aus dem Paradies" mitreflektiert, entfaltet sich der Film als ebenso betörend schöne und poetische wie radikal ehrliche Filmdichtung über die vielen Facetten der Liebe, wobei die sich aus disparaten Szenen aufbauende, lose den Parametern eines Road Movie folgende Erzählweise zunehmend abstrakter wird.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Salzgeber & Co. Medien
Regie
Jan Krüger
Buch
Jan Krüger
Kamera
Bernadette Paassen
Musik
Tarwater
Schnitt
Ute Schall
Darsteller
Sebastian Schlecht (Johann) · Eric Golub (Robin) · Iris Minich (Grit) · Denis Alevi (Henri) · Bianca Wiedersich (Radfahrerin)
Länge
75 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Zwei Männer Anfang 20 brechen auf. Zunächst per Bahn, dann auf Fahrrädern, im Gepäck ein winziges Zelt. Es fallen nicht viele Worte, dafür gibt es umso mehr Blicke und zaghafte Berührungen. Sie tasten die Spannung ab, die sich allmählich aufbaut, das Auf und Ab der Gefühle, die Unsicherheit und das Begehren. Seit zwei Monaten sind sie ein Paar. Vor ihnen liegen die Wälder und Seen Brandenburgs, ein paar Begegnungen und immer wieder Sex im Grünen. Die instrumentale Musik der deutschen Band Tarwater assistiert ihnen bei ihren erotischen Pfadfinder-Spielen, schraffiert mit filigranen Klangtupfern die wechselnden Stimmungen, und mitunter erklingt auch schon mal mitten auf einer unbenutzten Autobahn eine betörende Arie von Händel. Es gibt viele Gründe, in diese menschenleere, von zerfallender Architektur strukturierte Wildnis aufzubrechen, zumal als Stadtkind mit westdeutscher Sozialisation. Man kann dort für kurze Zeit den Zwängen des Erwachsenwerdens ausweichen, den vielen beunruhigenden Fragen an das Leben oder schlicht die eigene, noch unverfälschte Gefühlswelt ausloten. Jan Krüger interessiert sich aber nicht für Psychologie. Er interessiert sich für die vielen Aggregatzustände der Liebe, für Landschaften und für Bewegung, und die führen immer hinein in die raue Unschuld des Moments, in die Trauer darüber, das Glück nicht festhalten zu können. Bevor die schmerzhafte „education sentimentale“ in einer Rückblende beginnen kann, sitzt der weichere, sensiblere der beiden Männer in der Psychiatrie und erzählt mit emotionsloser Stimme aus dem Off die Parabel vom Hasen, der einem Fuchs die Freundschaft anbietet. Im zweiten Teil der Rahmenhandlung wird die Stimme nicht anders klingen, nur klarer in der Einsicht der eigenen Unzulänglichkeiten. Die so festgezurrte Liebesgeschichte ist die natürliche Wahl für einen nüchternen Romantiker wie Jan Krüger, und das spürt man in jedem Augenblick in diesem entwaffnend ehrlichen Film. Wie schon seine thematisch ähnlich an Dreiecksbeziehungen orientierten vier Kurzfilme und der erste Langfilm „Unterwegs“ (fd 36556) – auch ein mit minimalem Budget gestemmtes Road Movie mit Hang zur Naturverlorenheit – , ist er manchmal grausam, manchmal unbelehrbar naiv, immer von überwältigender Schönheit und fast asketischer Penetranz, aber vor allem von so großer Furchtlosigkeit vor Improvisation, dass man ihm alles verzeiht. Als die Fahrräder abhanden kommen und der Hunger die Freude am Betrachten von vorbeiziehenden Wolkenbildern stört, bietet sich ein Bauernhof als Zuflucht an. Die Besitzer scheinen unterwegs, und das streunende Duo durchsucht das aus der Zeit gefallene Terrain nach etwas Essbaren. Dann taucht ein hübscher 16-Jähriger mit einem Gewehr auf und sperrt die Eindringlinge ein, bis seine Mutter, ein klassischer Fall Berliner Lebenskünstlerin mit Aussteigerambitionen, vom Einkaufen zurückkommt. Die zeigt sich in Anbetracht fehlender Gesellschaft unerwartet interessiert und lädt die Fremden zum Verweilen ein. In der Konfrontation des Pärchens mit anderen Menschen bekommt die weltvergessene Sommerhymne noch einmal einen unerwarteten Schwung. Vor allem die Bilder von Krügers Lieblingskamerafrau Bernadette Paassen laufen zur Höchstform auf. Während sich die Jungs ihre Kindheit zurückerobern und die Zeit mit Ziegenfüttern, Duschen im Freien und Badefreuden am See vertreiben, ist sie berauscht von Wasser, Erde und Schweiß. Ob sanft schwebende Fischnetze oder das Treiben von Ameisen zwischen Ästen und Blättern: ihr Blick seziert die selbstgenügsame Gleichgültigkeit der Natur so ungläubig, suchend und doch ohne zu schwelgen, dass man die Sehnsucht nach dem mystisch verklärten Universum von Tarkowskij zu spüren meint. Dann wird der sanft dahinschwebende Film zum Märchen, und es verwundert nicht mehr, dass der Griff nach giftigen Beeren das Ende des magischen Aufenthalts im Paradies einläutet. „Rückenwind“ ist Krügers bisher reifster Film, ohne den Charme des Unfertigen zu verlieren. Er komprimiert all die für ihn typischen Motive und entwickelt sie weiter in Richtung einer Abfolge disparater, oft dem Zufall abgetrotzter Szenen, die, gepaart mit der immer abstrakter werdenden Erzählweise, für Dauerspannung sorgt.
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