Eine junge Koreanerin führt abseits ihrer Arbeit in einem Postunternehmen ein weitgehend isoliertes Leben, bis sie in der Auseinandersetzung mit ihren Erinnerungen und durch die Begegnung mit einem jungen Schriftsteller allmählich den Impuls entwickelt, neue Kontakte herzustellen. Ungekünstelt und einfühlsam taucht der Film in den stillen Alltag seiner Protagonistin ein, der mittels der Montage als ruhiger Fluss ohne dramatische Zuspitzungen und ohne genaue zeitliche Orientierungspunkte erscheint. Getragen von zurückhaltender Empathie, entwickelt sich so eine sensible Studie über Einsamkeit und ihre Überwindung. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 16.
This Charming Girl
- | Südkorea 2004 | 99 Minuten
Regie: Lee Yoon-ki
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Filmdaten
- Originaltitel
- YEOJA, JEONG-HYE
- Produktionsland
- Südkorea
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- LJ Film/Bookfilms
- Regie
- Lee Yoon-ki
- Buch
- Lee Yoon-ki
- Kamera
- Choi Jin-woong
- Musik
- Lee So-yun · Lee Yeng-ho
- Schnitt
- Ham Seong-weon · Kim Hyeong-ju
- Darsteller
- Kim Ji-soo (Jeong-hae) · Hwang Jeong-min (Schriftsteller) · Kim Hye-ok (Mutter) · Lee Dae-yeon (Onkel) · Lee Geum-ju (Tante)
- Länge
- 99 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Eigentlich ist die junge Frau, um die es in dieser koreanischen Produktion geht, von Berufs wegen Kommunikationsfachfrau. Jeog-hae arbeitet für ein Postunternehmen am Schalter, wo sie Päckchen und Briefe entgegennimmt. Sie füllt ihren Job durchaus aus, wirkt sehr still, aber adrett und freundlich; in der Mittagspause und manchmal auch nach der Arbeit geht sie mit Kolleginnen essen. Tatsächlich ist dieses „Charming Girl“ aber entweder nicht willens oder nicht fähig, tiefere Bindungen mit anderen Menschen einzugehen; stattdessen igelt sie sich in ihrer eigenen Welt und deren Routine ein. Ist Jeog-hae glücklich oder unglücklich in dem einsamen Leben, das sie sich eingerichtet hat? Die Mimik der Darstellerin gibt wenig preis von den Emotionen der jungen Frau. Zögerliche Versuche, Kontakte herzustellen, deuten allerdings darauf hin, dass da durchaus die Sehnsucht nach der Nähe eines anderen Wesens ist. An einer Stelle des Films nimmt sie ein Kätzchen zu sich, jedoch begegnen sich das Tier und seine neue Herrin mit ähnlicher Scheu. Jeog-haes ausgestreckte Hand stockt in der Luft, bevor sie das weiche Fell streicheln kann.
In der Beobachtung solch kleiner Gesten liegt die Größe des Debütsfilms von Lee Yoon-ki, der bereits 2005 im Forum der „Berlinale“ präsentiert wurde. Die verzögerte Kinoauswertung hat der Wirkung des Films indes nicht geschadet, sind doch die Themen, die er behandelt – die Einsamkeit einer Figur in einer urbanen Lebenswelt und die zögerlichen Anstrengungen, diese zu überwinden – heute nicht weniger aktuell. Die filmische Annäherung an die spröde, sich in sich selbst einschließende Hauptfigur fordert den Zuschauer zum geduldigen Hinsehen heraus, macht ihn zum unsichtbaren Gefährten von Jeog-haes Isolation. Die Erzählhaltung ist von einer unaufdringlichen Empathie geprägt, mit der der Regisseur seine Protagonistin begleitet. Dramatische Zuspitzungen werden vermieden; die Montage macht aus der Zeit einen gleichmäßigen Fluss alltäglicher Szenen, der einem keine genaue Orientierung über Tages- und Wochenabläufe ermöglicht. Die Bildsprache ist ungekünstelt, auf Musikuntermalung wird weitgehend verzichtet. Nur in Rückblenden, die abrupt immer wieder in die Erzählgegenwart hineindrängen, erhält man so etwas wie einen direkten Einblick in Jeog-haes Innenleben, genauer: in ihre Erinnerungen – an den Tod der Mutter etwa, oder an eine von Jeong-hae beendete Beziehung. Schließlich scheinen solche Erinnerungsfragmente (und Jeong-haes Reaktionen auf sie) ein Trauma aufzudecken, das eine mögliche Begründung für ihre Zurückgezogenheit abgeben könnte. Entscheidend ist diese nachträgliche psychologische Deutung indes nicht: In „This Charming Girl“ geht es weniger darum, wie in einem Rätselspiel allmählich die Gründe für die Einsamkeit der Hauptfigur aufzudecken, als der Textur dieser Einsamkeit nachzuspüren.
Hoffnungsstreif am Horizont der zart-melancholischen Alltagserforschung ist ein Schriftsteller, der regelmäßig als Kunde mit Jeong-hae zu tun hat und zu dem sie eine schüchterne Neigung entwickelt. Ihr erster Versuch, Kontakt herzustellen, ist freilich so ungeschickt, dass er scheitert. Dennoch: Allein den Mut zu entwickeln, den Mann direkt anzusprechen und ihn einzuladen, ist für Jeong-hae ein großer Schritt nach vorn.
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