Die Uniform muss makellos sitzen, die Haltung muss perfekt, die Formulierungen müssen klar und unmissverständlich sein. Man darf die Adressaten keinesfalls anfassen, es sei denn, ein medizinischer Notfall tritt ein. Manchmal werden sie auch ihrerseits handgreiflich. Der „Bote“, um den es in Oren Movermans Regiedebüt geht, bringt die schlimmste aller Nachrichten: die vom Tod eines geliebten Menschen. Sergeant Will Montgomery, ausgezeichnet wegen besonderer Tapferkeit, wird aufgrund der Folgen einer Verwundung nicht mehr zum Kriegseinsatz in den Irak zurückgeschickt, sondern muss die letzten Monate seines Militärdienstes an der Heimatfront als „Engel des Todes“ ableisten, der die Angehörigen zu verständigen hat, wenn ein Soldat bzw. eine Soldatin gefallen ist. Eine wichtige Aufgabe, wie ihm seine Vorgesetzten sagen; Will empfindet sie allerdings als Zumutung. Er wird dem in diesem undankbaren Gewerbe schon erfahrenen Captain Tony Stone zur Seite gestellt, der dem Neuling alle Regeln beibringt und akribisch auf deren Einhaltung pocht. Privat erweist er sich allerdings als weit weniger förmlich und scheint eine Kumpel-Freundschaft mit seinem jüngeren Mitarbeiter anzustreben. Tatsächlich wachsen die beiden zu einer Art Schicksalsgemeinschaft zusammen.
Die Inszenierung setzt den Zuschauer einer ähnlichen emotionalen Zerreißprobe aus, wie sie die Hauptfigur bei der Erfüllung ihrer Pflicht durchmachen muss. Immer wieder begleitet sie Will und Tony an die Haustüren von Vätern, Müttern, Ehefrauen, immer wieder lässt sie die beiden Soldaten ihre standardisierten Formeln vorbringen, immer wieder brechen die Reaktionen der Angehörigen förmlich über einen herein, wobei die Kamera ganz nah an das Gesicht des großartigen Hauptdarstellers Ben Foster herangeht, um hinter der mühsam bewahrten, professionellen Fassade die emotionalen Qualen aufzuspüren, die ihm sein Job bereitet. Denn so sehr Tony darauf aus ist, ihre Mission in den Bahnen dienstlicher Routine zu halten, so wenig ist Will fähig, sich von dem Schmerz abzugrenzen, der eben keine Routine ist, sondern jedes Mal neu und einzigartig – was durch die ausführliche Inszenierung und die starke Leistung der Darsteller, die die trauernden Angehörigen spielen, eindringlich klar gemacht wird. Besonders peinigend ist gleich einer von Wills ersten Einsätzen, bei dem einer Mutter die Nachricht vom Tod ihres Sohns überbracht werden soll. Anstatt der älteren Dame ist zunächst nur die schwangere Freundin des Toten zugegen, die laut Dienstvorschrift von den Soldaten aber nicht als Ansprechpartnerin anerkannt werden darf. So wartet die junge Frau mit Will und Tony auf die Heimkehr der Mutter, ahnt längst, um was es geht, wird mit ihren Fragen jedoch zurückgewiesen und bricht förmlich Stück für Stück auseinander – eine intensive, ungeheuer peinigend ausgedehnte Situation, an der der Betrachter auf und vor der Leinwand hilf- und tatenlos Teil haben muss.
Einen Kontrapunkt zu diesem niederdrückenden Berufsalltag im Privatleben hat Will nicht. Er wohnt in einem anonym wirkenden Apartment, in dem er, nachdem bereits zu Beginn des Films seine Beziehung zu seiner Freundin zerbricht, die Einsamkeit höchstens mit lauter Musik übertönen kann. Die Freundschaft – oder eher Kameradschaft – mit Tony, der sich seiner dienstlichen Korrektheit zum Trotz als ziemlich unberechenbar und unreif entpuppt, bleibt ein zweischneidiges Schwert. Erst die Bekanntschaft mit Olivia, einer jungen Mutter, der Will die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbringen muss und die mit einer seltsamen Gefasstheit und Sanftheit auf diese Nachricht reagiert, scheint ihm so etwas wie eine Perspektive jenseits des Kriegs, in den er immer noch involviert ist, aufzuzeigen. Samantha Morton verkörpert diese Rolle mit rückhaltloser Intensität, ihr blasses, weiches Gesicht wirkt geradezu erschütternd nackt neben den in ihren Uniformen verschanzten männlichen Protagonisten.
Ähnlich wie „Grace Is Gone“
(fd 38870), in dem es um den Trauerprozess der Familie einer gefallenen Soldatin ging, blendet Movermans Debüt politische Fragen nach Sinn und Unsinn des US-Einsatzes im Irak aus. Es geht über den konkreten Kampfeinsatz hinaus um die „Kollateralschäden“, die jeder Krieg anrichtet: um die Entdeckung individueller Schicksale hinter den Verlustmeldungen, um die Opfer an der „Heimatfront“, vor allem aber um Soldaten, die nicht zurückkehren können in eine zivile Normalität und die mit ihren Erfahrungen in der Heimat Fremde bleiben. Die Rauminszenierung spiegelt das, indem sie die Figuren durch ein gesichtsloses Durchschnitts-Amerika der immergleichen Vororte schickt.
Vor allem die Figur Woody Harrelsons, dessen unter kumpelhafter Fassade glimmende latente Wahnsinnigkeit hier bestens zum Tragen kommt, wird dabei immer mehr vom irritierenden Sidekick zur tragischen Gestalt, während Ben Fosters Figur paradoxerweise gerade durch ihre größere Verletzlichkeit an Souveränität gewinnt. Dabei lehnt sich der Film, der seine Hauptfiguren immer wieder in Bewegung, auf Reisen zu diversen Einsatzorten zeigt, bezeichnenderweise wie „Grace Is Gone“ ans Road Movie an, dessen Ruhelosigkeit und Suche nach einem verlorenen Amerika sich hier spiegelt: offensichtlich eine geeignetes Genremuster, um der tiefen Verunsicherung und Identitätskrise, die der Kriegseinsatz im Irak verursacht hat, eine filmische Form zu geben.