Das Massaker von Katyn

Drama | Polen 2008 | 121 Minuten

Regie: Andrzej Wajda

Aufarbeitung des Massakers von Katyn an Offizieren der polnischen Armee im April 1940, das die Sowjets später der deutschen Wehrmacht zuschrieben. Andrzej Wajda nutzt das traumatische Ereignis, um die Situation Polens während des Zweiten Weltkriegs zu illustrieren, als das Land zwischen Deutschen und Russen aufgerieben wurde, wobei die Thematisierung des lange tabuisierten Geschehens eher holzschnittartig wirkt. Auch wenn das Epos im Diskurs über den Umgang mit der Geschichte seltsam unpersönlich erscheint und der Regisseur nur wenig über seinen eigenen Weg zwischen Trauer, Aufbegehren und Anpassung verrät, bleibt ein faszinierender Film mit ergreifenden Momenten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KATYN
Produktionsland
Polen
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Akson Studio/TYP S.A./Polski Instytut Sztuki Filmowej/Telekomunikacja Polska
Regie
Andrzej Wajda
Buch
Przemyslaw Nowakowski · Wladyslaw Pasikowski · Andrzej Wajda
Kamera
Pawel Edelman
Musik
Krzysztof Penderecki
Schnitt
Milenia Fiedler · Rafal Listopad
Darsteller
Maja Ostaszewska (Anna) · Artur Zmijewski (Andrzej) · Andrzej Chyra (Lt. Jerzy) · Danuta Stenka (Róza) · Jan Englert (General)
Länge
121 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Historienfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ascot Elite
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Diskussion
Im April 1940 werden tausende polnische Offiziere mit Güterwaggons in einen Wald nahe der russischen Ortschaft Katyn gefahren. An der Bahnstation fesseln Soldaten ihnen die Hände und bringen sie in bereitstehende Mannschaftswagen. Am Ende der Reise werden die Generäle in eine Villa geführt und mit Genickschuss hingerichtet, die einfachen Offiziere sterben unter freiem Himmel: Einen nach dem anderen zerrt man aus den Wagen, es bleibt gerade noch Zeit für ein letztes Gebet, dann fällt der nächste Tote ins Massengrab. Andrzej Wajda rekonstruiert die Gräuelszenen mit der nüchternen Konsequenz, in der sie damals durchgeführt wurden, und beschließt mit ihnen seinen Film „Das Massaker von Katyn“. Ein halbes Jahrhundert durfte der polnische Filmemacher dies nicht drehen, beinahe weitere 20 Jahre dauerte es, bis er es sich zutraute. Denn Wajda erzählt nicht nur das Trauma der polnischen Nation, sondern auch sein eigenes: Sein Vater war unter den Ermordeten. Im Finale holt Wajda die Wahrheit ans Licht, um die sein Film zwei Stunden lang wie um ein leeres Zentrum kreist. Beinahe scheint es so, als wolle er damit die sowjetische Geschichtsfälschung karikieren, die das von Stalin befohlene Massaker der deutschen Wehrmacht in die Schuhe schob. Eine andere Lesart durfte es bis zum Zerfall des Warschauer Pakts nicht geben. Bis heute tun sich polnische Künstler schwer, die Ungeheuerlichkeit dieser staatlich verordneten Lüge zu verarbeiten. Auch Wajda fand lange keine Vorlage, die ihm gefiel; sein eigenes, auf Andrzej Mularczyks Roman „Post Mortem“ basierendes und mit Przemyslaw Nowakowski und Wladyslaw Pasikowski verfasstes Drehbuch trägt deutliche Züge einer Notlösung. Großartig ausgearbeitete Sequenzen stehen neben holzschnittartigen Szenen. Wajda versucht zunächst, einzelne Menschen aus der Masse herauszuheben, und durchmisst die Kriegs- und Nachkriegsjahre dann doch mit den Siebenmeilenstiefeln des allegorischen Erzählers. So taucht eine zentrale Figur nach Kriegsende geradezu aus dem Nichts auf, hilft Wajda, etwas auf den Punkt zu bringen, und wird, nachdem sie ihre Schuldigkeit getan hat, schnurstracks wieder aus dem Film hinausbefördert. „Das Massaker von Katyn“ beginnt in den ersten Kriegstagen. Eine Menschenmenge flieht vor der deutschen Armee ins polnische Hinterland und begegnet auf einer Brücke einem Flüchtlingstreck, der sie vor den vorrückenden Russen warnt. Historiker vergleichen die Lage Polens zwischen den europäischen Großmächten mit der zwischen Hammer und Amboss; nach dieser Szene weiß man, warum. Eine junge Mutter sucht ihren Mann, trifft ihn ein letztes Mal in russischer Gefangenschaft, bevor man ihn ins nächste Lager abtransportiert und sie nach Warschau flieht. Hier setzt die deutsche Seite den Hitler-Stalin-Pakt durch die Deportation der geistigen Elite in die Tat um; dann kommt der Russlandfeldzug und mit ihm die erste Öffnung der Massengräber von Katyn. Die deutsche Propaganda schlachtet die Grauen aus, während die junge Mutter mit bangem Blick die Totenliste nach dem Namen ihres Ehemanns durchsucht. Später, als sich das Kriegsglück wendet, versehen die Sowjets die selben Archivbilder mit der entgegengesetzten Bedeutung. Auch in der Inszenierung der Zeit nach dem Kriegsende setzt Wajda die Folge emblematischer Szenen fort: Eine Partisanin besteht auf dem korrekten Todesdatum ihres in Katyn ermordeten Bruders (die Russen versuchten ihre Schuld zu vertuschen, indem sie die Tatzeit um ein Jahr verlegten) und verschwindet in den Kellern des Geheimdienstes; ein polnischer Offizier, der vom Massaker verschont blieb, richtet sich aus Scham selbst; und vielleicht um dem fatalen Eindruck vorzubeugen, es habe in Polen weder Kollaborateure noch überzeugte Kommunisten gegeben, hat eine polnische Kriegsgewinnlerin einen kurzen Auftritt. Angesichts der Vorgeschichte des Regisseurs ist „Das Massaker von Katyn“ ein erstaunlich unpersönlicher Film. Offenbar unter dem Druck, ein filmisches Denkmal zu errichten, greift Wajda auf die etwas altbackenen Schauwerte und dramaturgischen Strategien des Nationalepos zurück. Die historische Rekonstruktion wird teilweise zum Selbstzweck, die geschichtliche Entwicklung in einzelne Schlüsselszenen zusammengefasst, die dann die ihnen aufgebürdete Last der Bedeutung nicht immer tragen können. Trotz solcher offenkundigen Schwächen bleibt ein faszinierender Film mit ergreifenden Momenten, nur eben nicht das große Alterswerk des 82-jährigen Wajda. Ausgerechnet die am schwächsten ausgearbeitete Figur wird immer als Alter Ego des Regisseurs ins Spiel gebracht: Es ist der junge Partisan, der Künstler werden will, sich den Lügen nicht beugt und seine jugendliche Leidenschaft mit dem Leben bezahlt. Nimmt man die linientreue Funktionärin hinzu, die ihren Bruder in Katyn verlor und sich dennoch entschlossen ins scheinbar Unvermeidliche fügt, hat man möglicherweise die beiden Seiten Wajdas vereint. Über seinen eigenen Weg zwischen Trauer, Aufbegehren und Anpassung verrät der Film nur wenig. Aber dafür gibt es ja sein gesamtes Werk.
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