Eine Familie, die vom frühen Krebstod eines Sohns überschattet wird, kommt zum Weihnachtsfest zusammen und muss sich einem neuen Schicksalsschlag stellen: Auch die Mutter leidet an Krebs und benötigt eine Knochenmarkspende. In expressivem Erzählstil mit extremen Kameraperspektiven und Brüchen der Geschlossenheit der fiktionalen Welt entfaltet das ungewöhnliche Familiendrama ein tragikomisches, mal surreales, mal beklemmend realistisches Universum, dessen schonungslosem, aber doch zärtlichem Ton sich die vorzüglichen Darsteller nahtlos einfügen.
- Ab 16.
Un conte de Noël
Drama | Frankreich 2008 | 147 Minuten
Regie: Arnaud Desplechin
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Filmdaten
- Originaltitel
- UN CONTE DE NOËL
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- Why Not Prod.
- Regie
- Arnaud Desplechin
- Buch
- Emmanuel Bourdieu · Arnaud Desplechin
- Kamera
- Eric Gautier
- Musik
- Grégoire Hetzel
- Schnitt
- Laurence Briaud
- Darsteller
- Catherine Deneuve (Junon) · Jean-Paul Roussillon (Abel, Ehemann) · Anne Consigny (Elizabeth, ältestes Kind) · Mathieu Amalric (Henri, zweites Kind) · Melvil Poupaud (Ivan, jüngstes Kind)
- Länge
- 147 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Familienweihnachtsfilme gibt es viele – aber so einen höchst selten. Schon die ersten Minuten lassen das erahnen. Darin erfährt man, was dazu geführt hat, dass die Familie Vuillard, von der „Un conte de Noël“ erzählt, so zerrüttet ist, wie es sich im weiteren Lauf des Films darstellt. Abel und Junon Vuillard hatten zwei Kinder, als ihr Sohn Joseph im Alter von sieben Jahren an Knochenmarkkrebs erkrankte. Nur eine Knochenmarkspende hätte ihn retten können, doch weder das Knochenmark seiner Eltern noch das seiner Schwester Elizabeth erwies sich als kompatibel. In der verzweifelten Hoffnung, Joseph zu retten, zeugten Abel und Junon ein weiteres Kind. Doch auch das Knochenmark des kleinen Henri stellte sich als inkompatibel heraus. Joseph starb. Bald danach wurde Junon abermals schwanger. Ivan sollte die Lücke füllen, die Joseph hinterlassen hatte. Von nun an war alles, was die Familie miteinander verband – und zugleich voneinander trennte –, Josephs Tod. Elisabeth konnte ihrem Bruder Henri nie verzeihen, dass er Joseph nicht hatte helfen können. Jahre später, als beide längst erwachsen sind, verstößt sie ihn aus einem nicht näher erläuterten Grund. Nie wieder will sie ihn zu Gesicht bekommen. An einem Weihnachtsfest aber wird die Familie doch noch einmal vereint. Allerdings unter düsteren Vorzeichen: Mutter Junon ist an Leukämie erkrankt und braucht dringend einen Knochenmarkspender. Das Wiedertreffen der Geschwister (samt Partner und Kinder) entwickelt sich zum bizarren Wettstreit unterschiedlicher Lebensstile – ausgeflippt und angepasst, chaotisch und bieder –, der alte Wunden aufreißt.
Nicht nur inhaltlich, vor allem auch formal könnte man meinen, Arnaud Desplechin habe für den nahezu zweieinhalbstündigen Film ganz besonders dick aufgetragen. Schon musikalisch schöpft er aus dem Vollen und deckt so ziemlich das gesamte Spektrum menschlicher Gefühle schwelgerisch ab. Mit Mathieu Amalric, Anne Consigny, Jean-Paul Roussillon und Catherine Deneuve hat er zudem ein nationales Star-Ensemble um sich versammelt, und wie zuletzt in „L’Aimée“ (2007) oder „Rois et Reine“ (fd 37 155) pflegt er auch diesmal einen außergewöhnlichen, expressiven Erzählstil. Mal kriecht Kameramann Eric Gautier zur Froschperspektive auf den Boden, dann nimmt er die Mitglieder der Familie Vuillard, die nach vielen Jahren die Weihnachtsfeiertage unter einem gemeinsamen Dach zusammen verbringen, von schräg oben ins Visier. Ein andermal linst er durch ein Schlüsselloch, und an einer Stelle wendet sich Mutter Junon Vuillard sogar direkt an die Zuschauer. Was isoliert betrachtet wie extravagante formale Spielereien erscheinen mag, stellt sich unter dem Gesamteindruck des Films in den Dienst eines eigenwilligen Familienuniversums, in dem eine ebenso skurrile wie poetische, melancholische, alberne, bedrohliche und liebenswerte Atmosphäre herrscht. Dieser tragikomischen Stimmung ordnen sich die renommierten Darsteller klaglos unter. „Un conte de Noël“ ist ein kruder Mix aus „Fanny und Alexander“ (fd 24 317), „Léolo“ (fd 30 026) und „Das Fest“ (fd 33 486) – aus Vorlagen also, die filmästhetisch überhaupt nicht zusammen passen: mal surreal, mal beklemmend realistisch, genauso schonungslos wie zärtlich. Trotzdem ergibt die Mischung am Ende ein stimmiges Ganzes: ein wundersames Weihnachtsmärchen über eine desolate, bisweilen geradezu grotesk anmutende und dann doch wieder ganz normale Familie.
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