Porträt des sudanesischen HipHop-Musikers Emmanuel Jal, der einst ein Kindersoldat war, später seinen anerzogenen Hass jedoch in kreative Kanäle umzulenken lernte und internationale Konzertbühnen erobern konnte. Der Film unterlegt Interviewszenen des Musikers mit Kriegsbildern und Konzertauftritten, beschreibt die private Aufarbeitung der Kriegserlebnisse, schildert das humanitäre Engagement Jals und zeigt am Ende die Heimkehr des Künstlers nach Jahren im Exil. Eine unpathetische Dokumentation, deren politische Brisanz sich allerdings nicht automatisch erschließt.
- Ab 16.
War Child
Dokumentarfilm | USA 2008 | 92 Minuten
Regie: Christian Karim Chrobog
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Filmdaten
- Originaltitel
- WAR CHILD
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- 18th Street Films/Interface Media Group
- Regie
- Christian Karim Chrobog
- Kamera
- Stan Staniski
- Schnitt
- Nels Bangerter
- Länge
- 92 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Er ist einer von vielen und zugleich doch einer von ganz wenigen: Emmanuel Jal, ein Kind des Krieges; einer jener viel zu schnell in Vergessenheit geratenen „Kollateralschäden“. Und er ist ein Wunschkind der Globalisierung, als das er auf musikalischem Terrain seine Geschichte international verbreiten kann. Der sudanesische HipHop-Musiker nimmt seine Funktion als Sprachrohr eines krisengeschüttelten Landes ernst, ein Botschafter der sudanesischen Kinder und damit für die Zukunft seiner Heimat zu sein. Den Hass und die Verzweiflung angesichts seiner gestohlenen Jugend und der vielen verlorenen Gefährten, die ihn als siebenjährigen Kindersoldaten der Rebellentruppe SPLA zur Waffe greifen ließ, hat er anscheinend in kreative Kanäle umgelenkt.
Regisseur Christian Karim Chrobog, der seinen Debütfilm eigentlich als Musikdokumentation angelegt hatte, blieb während der Recherche an Jals Geschichte hängen und entschied sich, seinen Blick auf den historischen und musikalischen Horizont eines einzelnen Künstlers zu fokussieren. Er begleitet den mittlerweile in London lebenden 28-jährigen Sänger bei seinen Auftritten in westlichen Konzertsälen, bei Besuchen in amerikanischen Schulen und in afrikanischen Slums sowie bei Vorträgen in Flüchtlingslagern. Wer nach einem Gleichnis der humanitären Katastrophe in Darfur sucht, so erfährt man von Sudan-Experten, der müsse den Blick nur nach Südosten lenken. Von 1983 bis 2005 herrschte im Südsudan ein verheerender Bürgerkrieg zwischen den Rebellen des christlich-animistischen Südens und der islamisch dominierten Regierung im Norden. Zwei Millionen Tote, doppelt so viele Vertriebene und 20.000 nicht reintegrierbare Kindersoldaten. So lautet die Bilanz nach über 20 Jahren Brandschatzung, Mord und Plünderung, die ähnlich wie Darfur aus dem Bewusstsein der internationalen Aufmerksamkeit längst wieder verschwunden ist.
Chrobog verbleibt jedoch nie lange bei Anklagepunkten, sondern tippt die globalen Verstrickungen ebenso kurz an wie den regionalen Konfliktverlauf. Politische Brisanz gewinnt seine feinfühlige und unpathetische Dokumentation lediglich auf einer vom Publikum zu vervollständigenden Folie, auf der das zwischen Selbstverwirklichung und Schuldverarbeitung lavierende Porträt Emmanuel Jals gezeichnet wird.
Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der schlaksigen und doch energetischen Erscheinung des erfolgreichen Sängers, auf dessen traurigen Augen unter den wuschelig kurzen Dreadlocks, auf seiner persönlichen „oral history“. Den Interviewantworten und Sprechgesängen Jals sind Bilder des Krieges und Ausschnitte seiner Konzertauftritte unterlegt, in denen sich auf zunächst paradox anmutende Weise Kultur- und Unterhaltungsbetrieb mit der sehr privaten Aufarbeitung von Kriegserlebnissen vermengen. Etwa in Aufnahmen einer zunächst betroffenen Zuhörerschaft, die sich kurz darauf jedoch tanzend und singend von seinem Lebensmut anstecken lässt.
Dass Jal überhaupt vor ihnen steht, dass er sich gegen alle Widerstände aus der bildungsarmen Einbahnstraße seiner Jugend herausmanövrieren konnte, lag an einer Mitarbeiterin einer Kinderhilfsorganisation, die ihrem Ziehsohn den Schulbesuch in Nairobi ermöglichte. Hilfe zur Selbsthilfe: Es ist diese abgenutzte, fast schon bedeutungsleere Floskel, die Jal mit seinem kraftvollen Engagement für eine fundiertere Bildungspolitik zu revitalisieren versucht; und das in einem Land, wo das Durchschnittsalter der ca. neun Millionen Einwohner bei knapp 18 Jahren liegt. Gegen Ende des Films kehrt Jal nach Jahren im Exil zu seiner Familie im Sudan zurück. Wiedersehensfreude, aber auch Entsetzen angesichts des Schicksals seiner vergewaltigten Schwester und Enttäuschung über das distanzierte Verhältnis zu seinem Vater zeichnen sich in der erschöpften Mimik des heimkehrenden Sohnes ab – bis sich Jal noch vor Ort einem neuen Projekt zuwendet: der Errichtung der „Leer Academy“ als winziger Baustein im didaktischen Damm gegen den noch schwelenden Konflikt.
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