Während einer Hochzeit auf dem Land entgleitet dem Brautvater, einem neureichen Provinzpatriarchen, die Kontrolle über die Feier und seine eigenen schmutzigen Geschäfte. Temporeiche, zuweilen drastische Allegorie über den menschlichen Hang zu Materialismus, Korruption und Betrug, deren spöttelnder Unterton zwar nur wenige Fettnäpfe auslässt, die aber den Zuschauer mit klugen Pointen dennoch schwerelos durch die Handlung trägt.
- Ab 16.
Eine Hochzeit und andere Kuriositäten
- | Polen 2004 | 104 Minuten
Regie: Wojciech Smarzowski
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Filmdaten
- Originaltitel
- WESELE
- Produktionsland
- Polen
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Film it./Agencja Produkcji Filmowej/TVP/Grupa Filmowa/Wytwórnia Filmów/SPI - International/Non Stopp Film Service
- Regie
- Wojciech Smarzowski
- Buch
- Wojciech Smarzowski
- Kamera
- Andrzej Szulkowski
- Musik
- Tymon Tymanski
- Schnitt
- Pawel Laskowski
- Darsteller
- Marian Dziedziel (Wojnar) · Iwona Bielska (Frau Wojnarowa) · Tamara Arciuch (Kaska) · Maciej Stuhr (Mateusz) · Bartlomiej Topa (Janusz)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
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„Glück, Gesundheit und eine Menge Kohle“ wünscht der Dorfpolizist dem jung verheirateten Paar. Vor allem um letztere geht es dem Brautvater Wojnar, einem neureichen Provinzpatriarchen, der die Hochzeit seiner Tochter Kaska mit dem ungeliebten Janusz vor allem dazu nutzt, seinen Wohlstand öffentlich auszustellen. Als Hochzeitsgeschenk gibt es einen nagelneuen Audi TT. Der ist beim Autoschieber freilich noch nicht ganz abbezahlt. Mit der Kontrolle über das zwielichtige Geschäft entgleitet Wojnar das Szenario der Hochzeitsfeier und am Ende auch seine materielle Existenz.
Mit „Eine Hochzeit und andere Kuriositäten“ legt Wojciech Smarzowski eine temporeiche, bissige Allegorie über den menschlichen Drang zu Korruption, Betrug, Intrigen und Vetternwirtschaft vor, gegen die der Verleihtitel-Pate „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ (fd 30 917) wie ein betulicher Schwank daherkommt. Denn in dem polnischen Film geht es, nicht zuletzt dank exzessiven Alkoholkonsums, schon bald ans Eingemachte. Während im Ballsaal anzügliche Spielchen beginnen, wird in den Hinterzimmern um Wojnars Geld gebuhlt. Denn der Audi soll mit Großvaters Filetgrundstück bezahlt werden, das im Planungsbereich einer Autobahn liegt. Großvater aber stellt sich zunächst quer und stirbt dann auch noch an einem Herzinfarkt. Die Notlösung, ein gefälschter Vertrag, wird schnell herbeigezaubert; eine Hilfsbereitschaft, die einiges kostet. So haben alle Beteiligten von den Hochzeitsmusikern bis zum Notar am Ende zwar volle Portemonnaies, aber auch neue Leichen im Keller. Selbst die Polizisten erklären sich gegen ein paar tausend Zloty dazu bereit, ein wenig an den Fahrgestell-Nummern des geklauten Autos herumzufeilen. Als die Köche dann auch noch feststellen, dass „im Bigosch sowohl Wurst als auch Kohl verdorben sind“ und den Eintopf in die Toilette kippen, säuft die Hochzeitsgesellschaft buchstäblich ab: wie in der „Titanic“ quillt da die braune Brühe aus dem geborstenen Rohr in der Sanitärzelle.
Smarzowski inszeniert sein Sittenbild mit kalkulierter Drastik und exaltiertem Schauspiel. Dennoch kommt „Wesele“ („Die Hochzeit“), wie der Film im polnischen Original heißt, nicht als Nummernrevue daher. Die bissigen Pointen stimmen, die Schauspieler mimen erfolgreich die kollektive Genese von der verklemmten Hochzeitsmesse bis zum mitternächtlichen Vollrausch, und der Zuschauer wird vom Drehbuch nahezu traumwandlerisch durch den Plot geleitet. Über allen thront die Braut mit steifer Mimik, unglücklich verheiratet mit einem Ehemann, der sich vor allem für das neue Auto begeistert. Eine bodenständige „Tanz ums goldene Kalb“-Variante, die mit bewusst überzeichneten Vorurteilen gleich lustvoll in mehrere Fettnäpfchen tritt. Denn was da zunächst als Provinz-Groteske daherkommt, zielt nicht nur auf den polnischen Alltag, sondern auch auf ein Stück Kulturgeschichte. 1901 schrieb Stanislaw Wyspianski sein gleichnamiges Theaterstück über die Hochzeit zwischen einem Krakower Intellektuellen und seiner bäuerlichen Geliebten. Das Stück, zuweilen als Nationaldrama bezeichnet, wurde 1972 von Andrzej Wajda verfilmt. Entsprechend hat Smarzowskis spöttelnde Adaption des Titels in Polen für Diskussionen gesorgt – und heimste den polnischen Filmpreis 2005 ein. Frei nach dem Motto des davor vor allem als Musikvideo-, Theater – und Fernsehregisseurs bekannten Smarzowski: „Vom Kino erwarte ich eine intellektuelle und emotionale Provokation. Bis vor kurzem dachte ich noch, dass eines von beiden genügt – jetzt weiß ich, dass man von beiden Seiten gleichzeitig attackieren muss.“
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