Eine alleinerziehende Londonerin steigt mit einer Freundin ins lukrative Geschäft mit osteuropäischen Leiharbeitern ein, die für einige Pennys unmenschliche Strapazen auf sich nehmen. Dass sie dabei die Überzeugungen ihrer Herkunft aus der Arbeiterklasse über Bord werfen muss, stört sie kaum. Bis ihre eigene Familie zwischen die Mahlsteine kriminellen Profitstrebens gerissen wird. Ein genau beobachtendes Drama, das die schleichende Transformation des modernen Kapitalismus beschreibt und dabei präzise dessen immense menschliche Kosten analysiert. (Kinotipp der katholischen Filmkritik)
- Sehenswert ab 14.
It's a Free World
Drama | Großbritannien/Italien/Deutschland/Spanien 2007 | 95 Minuten
Regie: Ken Loach
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Filmdaten
- Originaltitel
- IT'S A FREE WORLD
- Produktionsland
- Großbritannien/Italien/Deutschland/Spanien
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Sixteen Films/SPI International/BIM Distribuzione/Film4/EMC Prod./Filmstiftung NRW/Tornasol Films
- Regie
- Ken Loach
- Buch
- Paul Laverty
- Kamera
- Nigel Willoughby
- Musik
- George Fenton
- Schnitt
- Jonathan Morris
- Darsteller
- Kierston Wareing (Angie) · Juliet Ellis (Rose) · Leslaw Zurek (Karol) · Joe Siffleet (Jamie) · Colin Caughlin (Geoff)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Seit 40 Jahren singt Ken Loach nun schon das Lied der britischen Arbeiterklasse. Er wird nicht müde in seinem sozialen Engagement – und wir nicht, ihm dabei zuzusehen. Ob Loach nun ins Milieu englischer Bahnarbeiter geht wie in „The Navigators“ (fd 35 627), in die Historie des irischen Bürgerkriegs für „The Wind That Shakes the Barley“ (fd 37 951) oder ob er in „Just a Kiss“ (fd 36 767) in das Leben pakistanischer Einwandererkinder eintaucht: stets stößt der bekennende Sozialist an den festen Grund seiner in Jahren des Thatcherismus gehärteten Überzeugungen. Vor dem Schicksal eines politischen Sturkopfs ohne ästhetische Fortune hat Loach dabei noch immer sein genauer Blick bewahrt: Er agitiert nicht und erzählt auch keine mit britischem Stallgeruch versehenen griechischen Tragödien. Seine Dokudramen entwickeln sich vielmehr aus dem Zusammenprall von bescheidenen Aufstiegsfantasien und den widrigen Umständen der Armut. Kommt doch einmal eine ahnungsvolle Zwangsläufigkeit in ihnen auf, so verdankt sie sich einer mit Erfahrung gesättigten Erzählung; bei Loach sind selbst ausweglose Situationen geräumig genug für Zwischentöne. Auch in seinem neuen Film „It’s a Free World“ zieht Ken Loach keine strikte Linie zwischen Gut und Böse, Täter und Opfer: Seine Heldin, die allein erziehende Mutter Angie, arbeitet bei einer Agentur, die ausländische Arbeiter nach England holt, um sie an einheimische Firmen zu vermitteln. Das Anforderungsprofil ist dabei denkbar einfach: Billig müssen die Arbeiter sein, und sie dürfen nicht aufmucken, wenn es um Überstunden und Arbeitsbedingungen geht. Wenn die geschäftstüchtige Angie deswegen Gewissensbisse hat, lässt sie es sich nicht anmerken: Jeder muss eben sehen, wo er bleibt. Als Angie mit fadenscheiniger Begründung entlassen wird, beschließt sie, sich auf einem Hinterhof selbstständig zu machen. Sie überredet ihre studierte Mitbewohnerin, ihren Job als Telefonistin im Call-Center zu kündigen und an ihrer Seite in den grauen Markt der Arbeitsvermittlung einzusteigen. Auf einem schweren Motorrad wirbt Angie in den nächsten Tagen auf Baustellen und in Fabriken für ihre Dienste, und da arbeitswillige Tagelöhner in Großbritannien offenbar schnell gefunden sind, wirft das illegale Gewerbe rasch Profit ab. Natürlich geht es Loach darum zu zeigen, dass sich Angies freies Unternehmertum vom Sklavenmarkt früherer Zeiten nicht wesentlich unterscheidet. Ohne Rechte und Sicherheiten tragen die meist aus Osteuropa stammenden Leiharbeiter ihre Haut zu Markte, wobei die Arbeitgeber illegale Einwanderer wegen deren notgedrungener Willfährigkeit noch höher schätzen. In Angie finden die Tagelöhner zunächst eine halbwegs ehrliche Maklerin, die sogar selbstlos für eine untergetauchte iranische Familie sorgt, dann aber doch alle Skrupel über Bord wirft, um ihr Geschäft zu retten. Dramatisch wird es, als ein Bauunternehmer das Geld schuldig bleibt und die um ihren Lohn geprellten Arbeiter die Vermittlerin dafür zur Rechenschaft ziehen. Mit einem blauen Auge fängt es an, später drohen Unbekannte, Angies Sohn zu entführen.
Ken Loachs Filmtitel „It’s a Free World“ lässt sich allenfalls sarkastisch verstehen oder im Sinne eines sich selbst überlassenen Raubtierkapitalismus. Passend dazu ist die tatkräftige Heldin halb treibende Kraft und halb Getriebene, ohne dass Loach sie durch die Verhältnisse entschuldigen würde. Wenn sich Angie für etwas entscheidet, dann im vollen Bewusstsein der daraus folgenden Konsequenzen. Die Ehrlichkeit, mit der sie sich den eigenen moralischen Widersprüchen stellt, macht sie zu einer überaus sehenswerten Leinwandfigur – auch wenn Loachs neuester Film letztlich doch etwas zu didaktisch geraten ist, um ihn zu seinen besten zählen zu können.
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