Porträt das japanischen Künstlers Jimmy Mirikitani, den die Filmemacherin im Januar 2001 im New Yorker Stadtteil Soho kennen lernte. Im Stil eines cinéma-vérité-Essays erzählt der Film nicht nur die Geschichte eines bewegten Lebens, das vom Atombombenabwurf auf Hiroshima und den Jahren während des Zweiten Weltkriegs geprägt wurde; er beschreibt auch die nicht immer einfache Freundschaft zwischen dem Künstler und der Filmemacherin, die ihn nach dem 11. September 2001 aufnahm. In tragischen, komischen und anrührenden Momenten verdichtet er sich dabei zur personalisierten Aufarbeitung amerikanischer Geschichte. (O.m.d.U.)
- Ab 16.
Mirikitanis Katzen
Dokumentarfilm | USA 2006 | 76 Minuten
Regie: Linda Hattendorf
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE CATS OF MIRIKITANI
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Lucid Dreaming
- Regie
- Linda Hattendorf
- Buch
- Linda Hattendorf
- Kamera
- Masa Yoshikawa · Linda Hattendorf
- Musik
- Joel Goodman
- Schnitt
- Keiko Deguchi · Linda Hattendorf
- Länge
- 76 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Soho, New York, Januar 2001: Es ist kalt, die Obdachlosen schlafen über den Lüftungsschächten der U-Bahn. Vor einem koreanischen Laden mit Plastikwindschutz lassen die Besitzer einige von ihnen überwintern. Einer ist Jimmy Mirikitani. Er nimmt nur Geld, wenn man ihm dafür Bilder abkauft. Der Filmemacherin Linda Hattendorf gibt er ein Katzenporträt mit, sie soll es für ihn fotografieren. Dies ist der Beginn einer Freundschaft – und der Beginn eines außergewöhnlichen Dokumentarfilms. Im Vergleich zur weiteren Entwicklung wirkt der Beginn fast harmlos: ein auf der Straße gestrandeter japanischer Künstler, dessen Alter kaum zu schätzen ist, seinen Kopf tief zwischen Daunenjacke und Mütze verborgen. Die Kamera muss wahre Kunststücke vollführen, um sein Gesicht dort zu finden. „Jimmy“ Tsutomu Mirikitani malt nicht nur Katzen; er malt auch Bilder von Internierungslagern und Katastrophenszenarien: brennende Gebäude, Menschen in Panik. Die Stifte werden ihm geschenkt, dennoch sind Einflüsse der traditionellen japanischen Tuschmalerei unverkennbar. Zunächst zeichnet er mit wenigen Strichen in Schwarz die Umrisse der Gebäude und flüchtende Menschen, dann wird oft großflächig koloriert. Über seine Bilder findet Linda Hattendorf, von Anfang an im Sinne eines cinéma-vérité-Essays selbst involviert, Zugang zu Jimmy, taucht ein in die bewegte und bewegende Geschichte seines Lebens. Die Katastrophenszenarien zeigen die Folgen des amerikanischen Atombombenabwurfs auf Hiroshima, seine Familie mütterlicherseits wurde dabei ausgelöscht, von seinen 47 ehemaligen Schulkameraden überlebten sieben. Er selbst war damals in den USA interniert, in einem Lager mit 18.000 weiteren Japanern, nach dem Angriff auf Pearl Harbor zum „feindlichen Ausländer“ erklärt. Unter Druck gab er seine amerikanische Staatsbürgerschaft auf: 1920 in Kalifornien geboren, war er in Hiroshima aufgewachsen und mit 18 in die USA zurückgekehrt. Er wollte nicht Soldat in Japan werden, sondern als Künstler Westen und Osten in seiner Malerei zusammenführen. Doch es gibt nicht nur diese „Reise durch die Erinnerung“, es gibt auch die Gegenwart. Der 11.9.2001: Schon zuvor sah man im Hintergrund des Sommertreffpunkts von Jimmy und der Regisseurin ab und zu die Twin Towers aufragen. Nach dem Einsturz des World Trade Center nimmt sie den Künstler mit in ihre Wohnung, um ihn vor giftigem Rauch und Staub zu schützen. Ganz natürlich entwickelt sich das Zusammenleben zweier sehr unterschiedlicher Menschen auf engstem Raum. Während Jimmy aufblüht, malt, singend auf seinem Bett liegt und mit der Katze der Filmemacherin spielt, ist es für diese nicht immer einfach, den Ansprüchen des Gasts gerecht zu werden. Den Zuschauer setzt die Regisseurin als dritten Gast mit an den Tisch, so intim, doch nie exponierend gewährt sie Einblick in die Monate nach dem Anschlag. Es gibt komische, tragische und rührende Momente, nebenbei verdichtet sich „Mirikitanis Katzen“ zur personalisierten Aufarbeitung amerikanischer Geschichte: wenn Jimmy fernsieht und die Nachrichten zum Anschlag, zur darauf folgenden Welle der Fremdenfeindlichkeit, zum Afghanistan-Krieg kommentiert, die er mit seinen Erfahrungen kurzschließt. Fünf Jahre lang hat die Regisseurin an dem Film gearbeitet – darunter „vier Jahre, um die nötigen Gelder für die Fertigstellung aufzubringen“. Er tourte auf Festivals und wurde vielfach ausgezeichnet. Für Jimmy endete das Projekt ähnlich erfolgreich: 2006 stellte er in einem Museum in Seattle erstmals seine Bilder aus.
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