Von einem der auszog - Wim Wenders' frühe Jahre

Dokumentarfilm | Deutschland 2007 | 96 Minuten

Regie: Marcel Wehn

Dokumentarfilm über Filmregisseur Wim Wenders und seine kreative Hochphase bis zum Weggang nach Hollywood. Erstmals werden viele biografische Details aus Kindheit und Studienjahren des Regisseurs nachgereicht, die in seinen Werken deutliche Spuren hinterlassen haben. Eine nicht nur filmgeschichtlich interessante Studie, die von einem langen, sehr persönlichen Interview mit Wenders getragen wird, der wichtige Stationen seines Lebens in einer Mischung aus Nachdenklichkeit und Lakonie Revue passieren lässt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
INDI Film/Filmakademie Baden-Württemberg/SWR
Regie
Marcel Wehn
Buch
Marcel Wehn
Kamera
Sarah Rotter
Musik
Can Erdogan
Schnitt
Dorothee Broeckelmann
Darsteller
Wim Wenders · Donata Wenders · Heinz Badewitz · Helmut Färber · Bruno Ganz
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Wim Wenders’ (film-)theoretische Essays, etwa in der Sammlung „Die Logik der Bilder“ (1988), mögen mit den Jahren Patina angesetzt haben, werden aber immer noch als Elle herangezogen, um sein aktuelles Schaffen daran zu messen. Auch deshalb überrascht der rein biografische Ansatz von Marcel Wehns Dokumentarfilm über Wenders’ frühe Jahre bis zu seinem Weggang in die USA. Erstmals werden lebensgeschichtliche Zusammenhänge nachgetragen, die bei anderen Regisseuren des deutschen Autorenkinos teilweise in extenso ausgeleuchtet wurden, in der Wenders-Rezeption bislang aber kaum eine Rolle spielten. Wehns Ausgangsidee, die Hintergründe des in 30 Filmen immer neu ausbuchstabierten Wenders-Themas der Suche seiner männlichen Helden nach ihren familiären Wurzeln im persönlichen Leben des Filmemachers aufzudecken, stieß bei diesem offensichtlich auf Interesse. Wenders öffnete private Archive, u.a. mit frühen Super-8-Aufnahmen, in denen er Menschen inmitten der Zechenlandschaft des Ruhrgebiets filmte oder mit seiner Jugendliebe auf den Spuren der Nouvelle Vague wandelte. Der zentrale Beitrag zu Wehns nicht nur filmgeschichtlich interessanten Dokumentation ist ein langes, sehr persönliches Interview, in dem Wenders in einer Ausstellungshalle vor einzelnen Filmstills verharrt, die wichtige Weggefährten und -stationen wiedergeben, und in seiner zwischen Nachdenklichkeit und Lakonie wechselnden Sprechweise ins Erzählen verfällt. Aus diesem bisweilen fast innerem Monolog montiert Wehn den Hauptstrang, in den Ausschnitte aus den wichtigsten Wenders-Filmen jener Zeit geschnitten sind, Gespräche mit engen Freunden und Mitarbeitern sowie eine Autofahrt ins Himmelreich. Das vermeintliche Paradies entpuppt sich dann zwar als trostlose Wohnsiedlung in Niedersachsen, doch der Weg zählt auch bei dieser inszenierten Reise allemal mehr als das Ziel. Die Bewegung ins Offene, Unbekannte, die auch im Titel anklingt, entspringt keinesfalls Langeweile oder Abenteuerlust, sondern schon früh einer am Existenzialismus camusscher Prägung geschulten Notwendigkeit. „Wie man leben soll“, formuliert Wenders eingangs die grundsätzliche Frage seiner Filme, und fügt wie als Reminiszenz an theoriefreudigere Zeiten eine kleine Hermeneutik des Authentischen hinzu: die Auslegung persönlicher Erfahrungen als Bedingung dafür, dass Kunst und Kino überhaupt an das Unsagbare bzw. das Unsichtbare zu rühren vermögen. Ein Hang zur philosophischen Grübelei wurde dem „großen Schweiger“ schon als Gymnasiast bescheinigt; seine „warmherzige Einsamkeit“ nahm Peter Handke bei einer Diskussion seiner „Publikumsbeschimpfungen“ für ihn ein. Mit der „total innigen, inneren Ruhe“, die Helmut Färber als Kern von Wenders Persönlichkeit, aber auch als suggestives Geheimnis seiner ersten Kurzfilme aufdeckt, war es dann vorbei, als Wenders in den Münchner Studienjahren in Folge eines Drogencocktails aus Haschisch und Whisky ins Koma kippte und nur mit Glück am Leben blieb. Dieser Zusammenbruch warf ihn aus der Bahn; nur mühsam fand er in die Normalität zurück, wobei eine siebenjährige Psychoanalyse klassischer Prägung ihm half, das „Todeserlebnis“ zu verarbeiten und seine Persönlichkeit zu reformulieren. Ein anderes, weniger spektakuläres, für Wenders aber wohl ebenso bezeichnendes Element war jene sture Beharrlichkeit, mit der er seine Filmprojekte verfolgte. Sein Abschlussfilm „Summer in the City“ (1969-71) kann unschwer als Ausdruck dieser schwierigen Zeit gelesen werden. Wie sein beziehungslos durch die Landschaft geisternder Protagonist (Hans Zischler) bemühte sich Wenders verzweifelt, sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen; während er es andererseits doch schaffte, mit minimalem Produktionsbudget einen abendfüllenden Film zu realisieren, dessen Dreharbeiten binnen einer Woche über die Bühne gingen. Glücklicherweise widersteht Wehn der Versuchung, die aus dem Abstand von nahezu vier Jahrzehnten anekdotisch pointierten „Parallelen“ zwischen Biografie und Werk breitzutreten. Obwohl viele Erinnerungen Wenders’, etwa über seinen dominanten Vater und die innere Abwesenheit seiner Mutter, aufschlussreich sind, behauptet der Film kein Spiegelverhältnis zwischen Lebenswelt und künstlerischer Produktion. Eine psychoanalytische „Revision“ von Wenders’ Werk fände in den freimütigen Auskünften zwar reichlich Material, drohte aber, die spezifisch filmische Gestalt aus den Augen zu verlieren. „Ich war im Werden, nicht sicher, ob ich schon jemand war“, fasst Wenders dagegen kurz und bündig zusammen, warum er 1978 Coppolas Angebot zu „Hammett“ (fd 23 774) annahm und nach Hollywood ging. Eleganter als mit einem philosophischen Bonmont, dessen Gehalt erst in der Beschränkung aufblitzt, lässt sich eine von vielen Konflikten und widerstreitenden Strebungen geprägte Entscheidung kaum auf den Punkt bringen. Ähnliches gilt für Wehns erhellende Dokumentation, die die Gunst der Stunde nutzt und Wenders als Erzähler seiner selbst die Bühne überlässt.
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