Porträt der Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff, die als Kind auf der Flucht vor den Nazis Berlin verlassen musste. Der Dokumentarfilm begleitet die mittlerweile fast 80-Jährige und ihre Nichte auf Spurensuche in der Hauptstadt. Dabei wird in zahlreichen Gesprächen unter konsequentem Verzicht auf Kommentar und Archivbilder die Geschichte der Familie beleuchtet. Auch wenn dabei manches Nebensächliche einfließt oder Fragen offen bleiben, überzeugt der Film dank des hellwachen Witzes der Protagonistin und der Intimität der Gespräche.
- Ab 14 möglich.
Ausgerechnet Bulgarien
Dokumentarfilm | Deutschland/Bulgarien 2007 | 94 Minuten
Regie: Christo Bakalski
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland/Bulgarien
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Filmcontact Berlin/Borough Film/ma.ja.de/mdr
- Regie
- Christo Bakalski
- Buch
- Christo Bakalski
- Kamera
- Rali Raltschew · Anton Rangelow Bakarski
- Schnitt
- Gergana Voigt
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14 möglich.
- Genre
- Dokumentarfilm
Diskussion
Man könnte es für einen Treppenwitz der Weltgeschichte halten: Da bot eine Maklerin der Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff, die nach Jahrzehnten im Ausland nach Berlin zurückkehrte, unwissentlich eine Wohnung in just dem Haus an, in dem die Autorin ihre Kindheit verbracht hatte. Unbeschwerte Jahre in Kreisen des Berliner Großbürgertums, bis sie gemeinsam mit ihrer jüdischen Mutter und ihren Geschwistern vor den Nazis nach Bulgarien floh. Während ihre Schwester später dort heiratete und Kinder bekam, zog es Angelika Schrobsdorff nach Ende des Kriegs in die Ferne. Sie lebte zunächst in München, ging dann nach Paris, heiratete den Regisseur Claude Lanzmann, bevor sie 1983 nach Jerusalem übersiedelte. Der Dokumentarfilm porträtiert nicht nur die Schriftstellerin und Kosmopolitin, sondern skizziert am Beispiel ihrer Familie, in welchem Maße die Weltpolitik private Beziehungen über Jahrzehnte beeinflusst bzw. in diesem Fall behindert. Der Film beginnt mit Sequenzen, in denen man Angelika Schrobsdorff gemeinsam mit ihrer Nichte Evelina, der Tochter ihrer Schwester Bettina, in Berlin auf der Suche nach Spuren der eigenen Vergangenheit sieht. Dann wechselt das Geschehen nach Bourgas an der bulgarischen Schwarzmeerküste, wo Evelina mit ihrer Familie lebt. Man redet über alte Zeiten, die Verwandtschaft und wie es war, während des Kriegs als Jüdin aus Deutschland fliehen zu müssen, um nach dessen Ende als Deutsche in Bulgarien als Faschistin beschimpft zu werden. Eine Groteske, die Bettina Schrobsdorff gar eine Lagerhaft unter den Kommunisten eintrug. Da tun sich ebenso tragische wie verwickelte Familienverhältnisse auf, wobei einem der Film, der sowohl auf einen Off-Kommentar als auch auf Archivbilder verzichtet, die Orientierung nicht eben leicht macht. Es braucht geraume Zeit, bis man versteht, wer da zu wem gehört und wer um welche Ecken mit wem verwandt ist. Auch die Ortswechsel – neben Bourgas spielt das Geschehen auch in Sofia, wo Angelika einst lebte und in Plovdiv, wo ihr Cousin André wohnt – erschließen sich erst nach einiger Zeit. Darüber hinaus gelingt es nicht immer, die vielen privaten Geschichten in ihrer Bedeutung für einen größeren Zusammenhang transparent zu machen. Wenn Bettinas Sohn mit seinem Hund am Strand spielt und darüber räsonniert, was er mal studieren möchte, ist das außer für ihn selbst allenfalls bedingt von Relevanz. Stattdessen hätte man gern mehr über die faszinierende Angelika Schrobsdorff erfahren. Zwar steht die trotz ihrer beinahe 80 Jahre noch immer jugendlich wirkende Frau im Zentrum, doch ihre Pariser Jahre kommen in den Gesprächen ebenso wenig zu Wort wie ihre Zeit in Jerusalem. Nichtsdestotrotz trägt sie mit ihrem hellwachen Witz den Film des in Bulgarien geborenen Regisseurs, der sich in fünfjähriger Arbeit der Familie Schrobsdorff genähert hat. Hin und wieder hört man den Filmemacher Fragen aus dem Off stellen, in erster Linie werden die Gespräche quasi „belauscht“, was dem Ganzen bisweilen eine überaus intime Atmosphäre verleiht.
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