Hallam Foe - This Is My Story

Drama | Großbritannien 2007 | 93 Minuten

Regie: David Mackenzie

Ein junger Mann verdächtigt seine verführerische Stiefmutter, für den Tod seiner leiblichen Mutter verantwortlich zu sein. Er spioniert ihr nach und entwickelt voyeuristische Neigungen, gerät in die Sex-Falle der "femme fatale" und flüchtet, ohne durch eine weitere Liebesaffäre heimisch zu werden. Der von einem überragenden Darsteller getragene Film verbindet zwei Geschichten der Muttersuche lose miteinander, wobei er in der Mischung mannigfaltiger Elemente alle Genregrenzen sprengt, doch im überzeugenden Finale wieder zur Einheit aus inneren und äußeren Wahrheiten findet. Ästhetisch ein Hochgenuss mit leichten dramaturgischen Schnitzern. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HALLAM FOE
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Sigma Films/Ingenious Film Partners/FilmFour/Scottish Screen/Glasgow Film Finance
Regie
David Mackenzie
Buch
David Mackenzie · Ed Whitmore
Kamera
Giles Nuttgens
Musik
David Mackenzie
Schnitt
Colin Monie
Darsteller
Jamie Bell (Hallam Foe) · Sophia Myles (Kate) · Ciarán Hinds (Julius Foe) · Claire Forlani (Verity Foe) · Jamie Sives (Alasdair)
Länge
93 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Prokino (1:2,35/16:9/Deutsch DD 5.1/Engl.)
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Diskussion
Sieben Jahre nach „Billy Elliot“ (fd 34 566) verleiht der mittlerweile 21-jährige Jamie Bell seinem Blick noch einmal jenes bohrende, ungestillte Verlangen, das sich nicht zufrieden geben will, ehe es erfüllt wird. Nach seinem Auftritt als pazifistischer Waffennarr im Neo-Western „Dear Wendy“ (fd 37 248) und Abstechern nach Hollywood („King Kong“, fd 37 405; „Flags of our Fathers“, fd 37 993) kehrt er nach Großbritannien zurück, wo er erneut einen mutterlosen Jungen auf der Suche nach seiner Identität spielt. Wie Billy ist Hallam ein Außenseiter, ein zurückgezogener Träumer: einfühlsam, einsam, mutterseelenallein. Auch er wird getrieben von einem heimlichen Wunsch, der ihn vom Vater entzweit. Doch anders als Billy Elliot will Hallam nicht tanzen – er will sich rächen, und seine Rachegelüste gehen einher mit kaum verhohlener sexueller Begierde. Auslöser dieser verstörend widersprüchlichen Gefühle ist Hallams junge, attraktive Stiefmutter Verity, die er verdächtigt, für den Tod seiner Mutter verantwortlich zu sein. Von einem Baumhaus aus beobachtet er die vermeintliche Mörderin im Landsitz seines Vaters in den schottischen Highlands. Auf der Suche nach Beweisen fängt der Einzelgänger nicht selten auch ein knutschendes Pärchen ein oder beobachtet seine Erzfeindin in intimen Momenten. Regisseur David Mackenzie lässt den aufgewühlten Helden dabei nie wie einen Spanner erscheinen; Hallam bleibt ein unschuldig staunender Junge, ein zaghafter Poet, der sich aus dem Mysterium der weiblichen und eigenen Sexualität einen Reim zu machen versucht. Mit großen Augen und offenem Mund interpretiert Bell den Voyeur feinfühlig, mit einer Prise Humor als sympathischen Freak. Die lauernde Trägheit, mit der Mackenzie in seinem Debüt „Young Adam“(fd 36 814) den Roman des Beat-Literaten Alexander Trocchis verfilmte, prägt auch in „Hallam Foe“ die Atmosphäre. Hinzu kommt indes ein weiterer, versöhnlicher Erzählton, der dem Film einen romantischen, bisweilen komischen Einschlag verleiht. Mit der Leichtigkeit fröhlich Verliebter tut sich Mackenzie aber ungleich schwerer als mit den Seelenabgründen eines Außenseiters. „Hallam Foe“ beginnt mit einer wunderschönen Animationssequenz und einem stimmungsvollen Soundtrack. In lyrischen Impressionen wird Hallam vorgestellt, der im verdreckten Parka durchs Geäst klettert, um die Umwelt, von der er sich beinah autistisch entfernt, durch die Linse seines Fernglases hindurch ins Reich seiner spätpubertierenden Imagination zurückzuholen. Der erste störende Bruch entsteht, als Mackenzie abrupt die Richtung wechselt und mit einem Mal Hallams Fantasien Wirklichkeit werden lässt. Für einen flüchtigen, verheerenden Moment. Verity, die „Stiefmutter Fatale“, verführt Hallam im Baumhaus. Der Junge erliegt den Reizen des schwarzhaarigen Vamps und tappt in die Falle. Als ihm klar wird, was er getan hat, ergreift er die Flucht. Sein Weg führt ihn nach Edinburgh, wo der Film vorerst zur malerischen Erzählweise zurückfindet. Braun und Grau der Stadt verwaschen zu einer urbanen Melange aus Schmutz und Geborgenheit. Dann begegnet Hallam der Hotelmanagerin Kate, einer fröhlichen Blondine, die seiner verstorbenen Mutter zum Verwechseln ähnlich sieht, und ergattert einen Job in ihrem Hotel. Vom Turm des Hotelgebäudes aus kann er nachts mit dem Fernglas heimlich in Kates Wohnung blicken. Erneut kommt es zum Bruch, als auch hier die Sehnsucht erfüllt wird. Wenig einfallsreich inszeniert Mackenzie die Liebesaffäre zwischen Hallam und seinem Mutterersatz. Als dann auch noch ein intriganter Konkurrent auf den Plan tritt, der von Hallams voyeuristischen Eskapaden Wind bekommt, droht sich die Handlung vorübergehend zur beliebigen romantischen Komödie zu verselbstständigen, bevor sie dann doch noch etwas mühsam die Kurve kriegt und ein wenig brachial die beiden bis dahin nur lose durch die Suche nach der Mutter miteinander verbundenen Episoden zusammenführt. Im dramatischen Showdown geht die schillernde, alle Genregrenzen sprengende Mischung aus Krimi, Liebesgeschichte, Psychodrama und Coming-of-Age-Komödie dann wieder wunderbar auf und wird zum faszinierend-dichten Gespinst aus inneren und äußeren Wahrheiten. Durch den leichten, hoffnungsfrohen und humorvollen Tonfall, mit dem der Film den inneren Dämonen seines Helden begegnet, verliert er zwar etwas an magischer Sogkraft, gewinnt aber an Dynamik. Nicht immer kann Mackenzie diese Vielstimmigkeit in die richtigen Bahnen lenken; trotzdem beweist er auch in seinem vierten Spielfilm, dass er ein Meister des atmosphärischen Kinos ist. Ästhetisch stellt der Film einen Hochgenuss dar, dramaturgisch bleibt er ganz auf den Hauptdarsteller zugeschnitten, was ein inszenatorisches Vabanquespiel bedeutet. Dank Jamie Bells mitreißender, exzellenter Darbietung geht die Rechnung aber durchaus beeindruckend auf.
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